Nach dem Sturm: Roman (German Edition)
die Bar, da niemand sonst da war, und schenkte ihr ein Glas Wasser ein. Er selbst nahm sich ein Bier.
Dann setzte er sich wieder an den Tisch und gab ihr drei Tabletten. Sie schaute sie an. Schaute ihn an. Schaute sein Bier und ihr Glas Wasser an.
»Meinst du das ernst?«, fragte sie.
Er stand wieder auf und holte ein zweites Bier aus dem Kühlschrank. Dann nahm er einen Flaschenöffner von der Bar, setzte sich wieder hin, machte die Flaschen auf und schob ihr eine hin. Sie schluckte die Tabletten und spülte sie mit dem kalten Bier runter.
»Da fühlt eine Frau sich doch gleich viel besser«, sagte sie und stellte die Flasche zurück auf den Tisch.
Cohen holte die Packung Lucky Strikes aus der Tasche. Er griff nach dem Bier und stöhnte erleichtert auf. Sie zwinkerte ihm mit dem freien Auge zu. Die Angst vor der Trennung fiel von ihnen ab, aber sie verschwand nicht ganz.
»Keine weiteren einsamen Exkursionen«, sagte er.
Sie zuckte mit den Schultern.
»Ich mein’s ernst.«
»Sollen wir uns aneinanderleinen?«
»Wenn’s sein muss«, sagte er. Er nahm ihr das Tuch vom Gesicht und schaute sich die angeschwollene, blutrote Wunde an. Dann legte er das Tuch wieder auf und sagte: »Trink einfach dein Bier.«
20
Mariposa stand am Fenster und spähte hinaus. Sie sah Cohen aus dem Wohnwagen kommen und dorthin gehen, wo er schlief, und wartete, ob ein Licht anging. Als das nicht der Fall war, nahm sie an, dass er sich schlafen gelegt hatte, und wartete. Während sie wartete, sah sie dem hektischen Treiben dort draußen zu. Einige Frauen und Aggie gingen ständig in den Trailer und kamen wieder heraus. Wenn die Tür aufging und etwas Licht da war, sah sie das Blut an ihren Händen und Armen und auf ihren Kleidern. Schließlich bemerkte sie auch das blutige Etwas in Avas Armen und fragte sich, ob es tot war oder lebte. Die Tür ging wieder für eine Weile zu. Als sie wieder aufging, hielt Ava ein weißes Bündel in der Hand und ging nach draußen in den Regen. Aggie hielt sie am Arm fest und führte sie dann zu seinem Wohnwagen. Es sah so aus, als ob sie oder er es geschafft hatte, jedenfalls für den Moment.
Sie schaute wieder zu dem Trailer, in dem Cohen schlief. Drinnen war es dunkel.
Sie zog ihren Mantel an. Erst als sie an der Tür angekommen war, erinnerte sie sich daran, dass sie eingeschlossen war. Trotzdem betätigte sie den Türknauf und stellte fest, dass er sich drehen ließ. Offenbar hatte Aggie in dem ganzen Durcheinander vergessen, auf die Türen zu achten. Sie ging raus, und der Wind peitschte ihr den Regen ins Gesicht. Sie senkte den Kopf und lief zu seiner Tür. Dort hielt sie inne, schaute sich um und sah das Hin und Her in dem Wohnwagen, in dem Lorna lag.
Sie legte die Hand auf den Türknauf seines Trailers, drehte ihn ganz langsam, zog die Tür auf und schlüpfte hinein.
Drinnen war es stockdunkel. Sie konnte ihn nicht sehen. Und zunächst auch nicht hören.
Dann schnarchte er.
Er lag bäuchlings auf der Matratze, Arme und Beine ausgebreitet wie ein Fallschirmspringer. Er atmete schwer. Ihre Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Sie ging zu ihm und kniete sich neben die Matratze. Er trug noch immer seine Jacke und seine dreckigen Stiefel, die über dem Rand der Matratze hingen.
Sie nahm eine Kerze und ein Feuerzeug aus ihrer Jacke, zündete die Kerze an und stellte sie auf den Boden. Dann zog sie ihre Jacke aus und legte sie auf den Boden. Sie tastete nach ihrem linken Stiefel und schnürte ihn auf. Sie zog daran, aber der Stiefel hing fest. Sie lockerte ihn und zog ihn ab. Dann tat sie das Gleiche mit dem rechten Stiefel. Cohen stöhnte im Schlaf, drehte sich aber nicht und wachte nicht auf.
Draußen hörte sie Stimmen, stand auf und schaute hinaus. Zwei andere Frauen liefen über das Gelände und gingen zu ihren Schlafplätzen. In Lornas Wohnwagen war das Licht jetzt erloschen.
Mariposa kniete sich wieder hin. Sie hörte zu, wie er atmete. Hörte seinem unregelmäßigen Schnarchen zu. Hörte dem Regen und dem Wind zu. Hörte die Worte in ihrem Kopf, die sie gern aussprechen würde, und dann gelang es ihr, sie zu flüstern.
»Ich weiß, warum du gekommen bist«, sagte sie. »Du bist wegen ihr gekommen. Wegen dem, was von ihr übrig ist. Das Einzige, was übrig geblieben ist. Ich weiß, warum du gekommen bist.«
Sie hielt inne und legte eine Hand auf sein Bein.
»Lass dich nicht von ihm einfangen«, flüsterte sie. »Werde nicht so wie er. Aber ich weiß ja, dass du nicht so
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