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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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Andreas es immer noch gern hatte, wenn man federleicht über seine Seiten fuhr? Ob er davon nach wie vor eine Gänsehaut an den Oberschenkeln bekam und die Arme über den Kopf legte, um sich den Streicheleinheiten entgegen zu strecken? Ob er so wie früher geradezu zwanghaft stumm blieb, wenn man nach seinem Glied griff und die Vorhaut mit leichten Drehbewegungen verschob? Würde er je die Gelegenheit haben, herauszufinden, was Andreas zum Schreien brachte?

    Überwältigt von lustvollen Fantasien, die keinerlei Anstand kannten, musste Sascha eingeschlafen sein. Wenigstens ein angenehmer Dämmerzustand hatte ihn seine Umwelt vergessen lassen, als er unvermittelt aus dem Schlaf hochfuhr.
    Seine Nase klebte an der Lehne der Couch, seine Beine hingen im Freien. Eine Fliege schwirrte um seinen Kopf. Sicher, dass das unselige Insekt ihn geweckt hatte, wollte Sascha die Augen schließen, als er hastige Schritte im Nebenzimmer hörte. Zögernd richtete er sich auf. Er lauschte in die Dunkelheit hinein. Die Bücherregale drängten sich wie schattenhafte Riesen in sein Blickfeld und verschluckten das wenige Licht, das durch die vorhanglosen Fenster in den Raum fiel.
    Wieder Schritte. Das Geräusch eines Körpers, der sich auf eine Matratze fallen ließ. Kurz darauf erneut Bewegung und das Tappen nackter Füße.
    Andreas war wach und so unruhig, dass es ihn nicht im Bett hielt. Warum kam er nicht zu ihm? Warum blieb er im Schlafzimmer? Für solche Fälle war Sascha doch hier.
    Unterdrückt seufzend rieb er sich über die Augen. In dieser Angelegenheit hatte Andreas sich offenbar kaum verändert. Er schaffte es nicht, um Gesellschaft zu bitten, wenn er sie brauchte.
    Es schmerzte. Andreas verstand es sicherlich nicht, da er glaubte, der Welt einen Gefallen zu tun, wenn er sie nicht behelligte. Aber geben zu wollen und nicht zu dürfen, weil der andere eine Barriere hochzog, tat weh. Es war unnötig und warf die Frage auf, ob nicht genug Vertrauen zwischen ihnen herrschte. In diesen Tagen traf das sicherlich zu. Andreas hatte keine Veranlassung, Sascha plötzlich zu vertrauen. Ein Nachmittag im Krankenhaus machte keine drei Jahre Einsamkeit wett. Aber auch früher hatte es Sascha verletzt, wenn Andreas ihn nicht in sein Leid einbezog. Es war ihm damals nur nicht in dieser Konsequenz bewusst gewesen.
    Kurz entschlossen stand er auf. Er würde nicht liegen bleiben, wenn er Andreas nebenan rastlos herumlaufen hörte. Vor dem Schlafzimmer entschied er sich gegen ein höfliches Anklopfen. Eingriff in die Privatsphäre hin oder her, er wollte sich nicht abwimmeln lassen. Entsprechend überrascht wirkte Andreas, als die Schiebetür ohne Vorankündigung beiseite glitt und Sascha in den Raum spähte. Auf dem Nachttisch brannte eine schwache Lampe, das großzügig bemessene Bett war zerwühlt. Eines der mit grünem Leinen bezogenen Kissen lag am Boden.
    Andreas lehnte am Kleiderschrank und schien ebenso wenig wie Sascha zu wissen, was er sagen sollte. In seinen Augen flackerte es. Gehetzt biss er sich auf die Unterlippe, bevor er krächzte: »Habe ich dich geweckt? Tut mir leid, war keine Absicht.«
    »He, nicht der Rede wert. Deswegen bin ich hier, oder? Um wach zu sein«, unterbrach Sascha den Redefluss, bevor er ausarten konnte. Von merkwürdiger Entschlossenheit erfüllt trat er ein. »Was kann ich tun?«
    »Nichts.«
    »Andreas …«
    Der Angesprochene drehte den Kopf beiseite. Hatte er geweint? Die Augen wirkten gerötet, aber das konnte auch mit der Übermüdung zusammenhängen. Sascha räusperte sich, überwand den letzten Meter zwischen ihnen. Vorsichtig streckte er die Hand aus und legte sie auf Andreas’ bloßen Oberarm. Bei dieser Gelegenheit wurde Sascha bewusst, dass sein Gegenüber bis auf ein paar Shorts nackt war.
    Oh Himmel, das machte es nicht leichter, sich auf Andreas’ Bedürfnisse zu konzentrieren. Wenigstens habe ich noch ein T-Shirt an, dachte Sascha mit klopfendem Herzen.
    Laut sagte er: »Komm. Du kannst nicht die ganze Nacht Kreise um dein Bett ziehen. Du musst schlafen, wenn du deiner Mutter eine Hilfe sein willst.«
    Er war überrascht, dass Andreas weder seine Hand abwehrte noch sein Bemühen, ihn in Richtung Bett zu ziehen. Grund mochte das Beben sein, das Sascha unter den Fingern wahrnehmen konnte. Andreas zitterte. Möglicherweise überfielen ihn gerade die ersten Auswirkungen einer Panikattacke. Vielleicht war das Beben aber auch nur eine Folge der angespannten Muskeln. Auf jeden Fall musste er sich

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