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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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zuzusehen, wie er um Haltung kämpfte und scheiterte, gab Sascha einen Stich.
    »Die Nacht war wohl unauffällig. Sie liegt auf der Intensivstation. Anscheinend hat es keine Schwellung gegeben. Aber sie wissen nicht, ob … sie Schaden genommen hat und alles gut übersteht. Sie ist schwach, viel zu schwach«, zitterte Andreas sich durch die Antwort. Nervös zuckte seine Hand in die Höhe, fuhr hinter sich und schien nach Sascha greifen zu wollen, bevor er sie zwischen die eigenen Oberschenkel klemmte.
    »Ist sie denn wach?«
    »Nein. Noch nicht. Wird wohl noch eine Weile dauern.«
    Sascha wiegte den Kopf. Für ihn hörte sich der Verlauf der Dinge recht ordentlich an. Es blieb jedoch die Angst, dass ein anderer Mensch aus der Narkose erwachte als der, der in den OP-Saal gegangen war.
    »Dann solltest du versuchen zu schlafen«, kam Sascha schließlich zu einem Ergebnis. »Sie scheint außer Gefahr. Dass sie auf der Intensivstation liegt, ist nach so einer Sache bestimmt üblich. «
    Andreas zuckte sichtlich zusammen. »Und wenn in der Zeit etwas passiert? Was, wenn ich hier herumliege und ihr geht es schlechter?«
    Sascha wünschte, Andreas würde ihn ansehen, statt die nahe Wand zur Klagemauer zu küren. »Dann wirst du sofort angerufen, wir pfeifen ein Taxi heran und fahren hin. Aber wenn die Nacht gut verlaufen ist, geht es jetzt bestimmt aufwärts.«
    »Vielleicht …«
    Allmählich dämmerte es Sascha. Bisher hatte er geglaubt, ein Gespräch mit einem wachen Mann zu führen, der in der Nacht auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt war. Doch als Andreas sich steif zu ihm umdrehte, sah er, dass dieser nach wie vor im Nebel tappte. Das war bei genauerer Überlegung vermutlich der Grund, warum Sascha sich noch nicht vor die Tür gesetzt sah. Der Schutzwall um Andreas’ Geist bewahrte sie beide.
    Sascha wollte nicht gehen. Konnte er gar nicht. Die Vorstellung, sich ein weiteres Mal Vorwürfe machen zu müssen, weil er jemanden im Stich gelassen hatte, war zu fürchterlich.
    Andreas befand sich in einer Zwischenwelt. Er sprach, er brachte seine Gedanken zum Ausdruck, aber Sascha zweifelte daran, dass er für tiefsinnige Gespräche, Belehrungen oder gar eine Fahrt ins Krankenhaus bereit war.
    Er war erschöpft, Sascha ebenfalls, und er wollte Andreas endlich richtig nah bei sich haben.
    Der Wunsch hatte sich kaum in ihm manifestiert, als Sascha sich auf die Matratze zurücksinken ließ. Den Arm streckte er einladend aus, sein Mund formte die Worte: »Komm her.«
    Andreas’ glanzlose Augen musterten ihn viel zu lange. Dann zog er fragend eine Braue hoch.
    »Hat früher auch geklappt, nicht?«, murmelte Sascha unbehaglich. Er verkniff sich, mit der Hand vor Andreas’ Gesicht herumzufuchteln, um dessen Wahrnehmungsfähigkeit zu prüfen. Ihm war, als säße ihm ein Blinder gegenüber.
    »Früher ist vorbei«, raunte Andreas tonlos.
    »Ich weiß«, entgegnete Sascha belegt. Innerlich fügte er hinzu: »Und ich wünschte, es wäre anders.«
    Es kam ihm vor, als würde er sich mit Gewalt gegen eine langsam zufallende Stahltür lehnen. Er stemmte sich in den Grund und versuchte, sie zu halten, aber seine Füße verloren an Boden und rutschten zurück. Mit ihnen geriet der Gedanke, Andreas trösten zu dürfen, ihn in seinen Armen schlafen zu lassen, außer Reichweite.
    Die Abwehr in Andreas’ Blick war offensichtlich, sodass Sascha nach langen Sekunden des gegenseitigen Niederstarrens frustriert den Arm einzog. Erst, als der Platz frei war, ließ Andreas sich fallen. Er legte sich nicht hin oder sortierte seine Gliedmaßen, er fiel einfach um. Sascha rollte sich auf die Seite, um ihn zu betrachten.
    Andreas’ Arme lagen seitlich des Kopfes angewinkelt. Stumm bildeten seine Lippen Silben, die Saschas Ohr nicht erreichten. Die Lider waren geschwollen und sehnten sich unübersehbar danach, zufallen zu dürfen.
    Weil er nicht wusste, wie er sich verhalten sollte, sagte Sascha vorsichtig: »Ich kann nach drüben verschwinden, wenn du allein sein willst. Oder auch ganz gehen.«
    Viel zu lange ließ die Antwort auf sich warten. Entsprechend erleichtert war Sascha, als Andreas kaum merklich den Kopf schüttelte. »Bleib.«
    Ein unsichtbarer Regen heißer Wassertröpfchen rieselte Sascha über den Rücken. Er lächelte zum Zeichen, dass er Andreas gehört und verstanden hatte. Wenn schon nicht gemeinsam, dann zumindest nebeneinander – das musste reichen. Sascha wollte zu gern Andreas’ Arm berühren.
    Seine Selbstbeherrschung

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