Nach der Hölle links (German Edition)
schmunzelte. Alte Gewohnheiten ließen sich eben nur schwer zu den Akten legen.
Sie lümmelten bereits jeder auf ihrem Sofa, als Sascha bewusst wurde, wie eigenartig die Situation war. Sein Fluchtreflex war verschwunden. Zwischen Kartoffelspalten und Cevapcici war er ihm verloren gegangen; die wenigen Minuten, die er im Bad für sich gebraucht hatte, ausgenommen.
Aus den Augenwinkeln beobachtete Sascha Andreas, der den Kopf an die Rückenlehne des Sofas geschmiegt hatte. Er wirkte blass und müde, dennoch halbwegs entspannt. Sascha hatte etwas anderes erwartet, als er heute Abend herkam: ein Wrack, das es mühsam aufzubauen galt. Ängste, Unruhezustände.
Doch Andreas schien geradezu ruhig. Entweder hatte er keine Kraft mehr, um sich in seinen Ängsten und Sorgen zu verlieren, oder er genoss es, dass sie zusammen waren. Vielleicht lag es auch an einer Kombination von beidem.
Erst, als durch die offene Terrassentür kühle Nachtluft in den Wohnraum strömte, fand Sascha, dass es an der Zeit war zu gehen. Sie standen bereits im Flur, als er vorsichtig fragte: »Ich kann auch bleiben, wenn du willst. Deine Couch ist ziemlich bequem, falls du nicht allein sein möchtest.«
Andreas schüttelte mit einem sachten Lächeln den Kopf. »Ich bin in Ordnung. Aber danke für das Angebot.«
Für ein paar endlose Sekunden musterten sie sich gegenseitig. Ihre Körpersprache ähnelte einander. Beide hatten die Hände in die Hosentaschen geschoben und sahen am anderen vorbei an die nahe Wand. Sascha überlegte fieberhaft, wie sie verbleiben sollten. Außerdem hätte er Andreas gern umarmt. Er wagte es nicht, wollte weder anhänglich noch weich wirken. Sie waren inzwischen gestandene Kerle, und sie entsprangen keinem Kulturkreis, in dem es üblich war, dass Männer sich zum Abschied und zur Begrüßung umarmten und küssten. Schade.
»Hast du Lust, demnächst etwas zu unternehmen?«, fragte Andreas schließlich nervös. »Wir könnten uns treffen. Draußen. Sogar im Kino, wenn du willst.« Er grinste schelmisch, aber sichtlich verlegen.
Vor langer Zeit im Zorn gesprochene Worte geisterten zwischen ihnen umher. Worte, mit denen Sascha damals Andreas und sich selbst eine Klinge über die Brust gezogen hatte. Ob Andreas ihm eines Tages glauben würde, dass er ihn gesucht und gewollt hatte; egal, ob er ans Haus gebunden war oder nicht?
»Andreas, ich … es tut mir leid. Ich hätte das damals nicht sagen sollen.«
»Nun schau nicht so geprügelt. Ich habe dir gesagt, dass es in Ordnung ist. Und ich habe es so gemeint. Vergiss es einfach, ja?«
Saschas Herz quoll über. Andreas’ Miene war aufrichtig. Die Gewissheit, dass seine Entschuldigung akzeptiert worden war, fühlte sich wie eine streichelnde Hand im Nacken an. Sascha glaubte nicht an das Vergessen, das Andreas von ihm erwartete. Eines Tages würde dieses Thema sie einholen. Aber für den Moment waren sie auf einem Stand, waren sie sich nah. Er musste die gedankliche Spur wechseln, um nichts Unüberlegtes zu tun.
Ja, sie konnten sich draußen treffen. Seine Brust drohte zu platzen. Wie viel Quälerei war nötig gewesen, um diese Freiheit zu erlangen? Selbst mit seinem Hintergrundwissen konnte Sascha nicht ermessen, was Andreas geleistet hatte.
In der Erinnerung, dass eine Antwort von ihm erwartet wurde, lächelte er: »Klar, lass uns etwas unternehmen, wenn es ruhiger geworden ist und es deiner Mutter besser geht. Rufst du mich an?«
»Mach ich«, nickte Andreas. Mit leuchtenden Augen, wenn Sascha es sich nicht einbildete.
Unten auf der Straße musste er sich an die Hauswand lehnen. Sie waren nicht zusammen, aber ihm war vergeben worden. Er war dankbar, so dankbar.
Als Sascha zur Haltestelle ging, waren seine Schritte außergewöhnlich leicht für einen Mann, der eine Abfuhr erhalten hatte.
Kapitel 24
Andreas war ein schlechter Mensch; ein unerträglich gewissenloser, herzloser Kerl, der unschuldigen Kreaturen grenzenloses Leid zumutete. Ein Bastard allererster Güte.
Er grinste, als er mit Triton an dessen zerfaserten Spielzeugstrick zog.
Seit drei Tagen war er zurück im Tierheim, aber Triton gebärdete sich immer noch wie toll. Mandy behauptete, der Hund hätte in der Zeit, in der Andreas nicht da war, schlecht gefressen und einen unleidlichen Eindruck gemacht. Vermutlich übertrieb sie schamlos. Dass Triton ihn vermisst hatte, ließ sich jedoch kaum bestreiten. Dessen herzerwärmende Begeisterung hielt an und zeigte sich jedes Mal, wenn sein Lieblingspfleger
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