Nach der Hölle links (German Edition)
in die Nähe kam. Wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre er Andreas während der morgendlichen Arbeit auf Schritt und Tritt gefolgt.
Ein weiteres Mal befanden sie sich auf der Wiese hinter dem Tierheim. Es war zu heiß, um lange auf dem vertrockneten Grün herumzutoben und Triton hing bereits die Zunge bis zu den Knien, aber das gemeinsame Spiel machte zu viel Spaß.
Andreas genoss die Leichtigkeit, die ihm in den vergangenen zwei Wochen abhandengekommen war. Zwischenzeitlich hatte er geglaubt, den Verstand verlieren zu müssen. Selbst in der bittersten Zeit seiner Therapie hatte Andreas nie das Bedürfnis verspürt, sich selbst zu verletzen. Aber in den ersten Nächten nach dem Unfall seiner Mutter konnte er Menschen verstehen, die in enervierender Präzision ihren Kopf an die Wand rammten. Man wollte Ruhe im Schädel, der Realität entfliehen und in eine andere Welt eintauchen.
Auf einmal war es nötig gewesen, über den täglichen Lebensplan hinaus zu agieren. Krankenhausmarathons waren nichts, was zwischen seine Übungen und Hausaufgaben passte. Der Unfall hatte sein Leben torpediert. Er hatte es nicht geschafft zu arbeiten oder seinen sonstigen Verpflichtungen nachzukommen.
Er schämte sich dafür, bis Köninger eingriff. Der Therapeut hatte deutlich gemacht, dass niemand erwartete, dass er angesichts einer solchen Belastung fehlerfrei funktionierte. Die Wohnung nicht verkommen zu lassen, einzukaufen, die Therapiesitzungen wahrzunehmen und jeden Tag ins Krankenhaus zu fahren, war laut Köninger aller Ehren wert.
Ausnahmsweise gelang es Andreas, ihm zu glauben. Denn neben den Fragen, die seine Mutter betrafen, hatte er das Minenfeld Sascha aufgeräumt. Er hätte nicht gedacht, dass es ihm gelingen würde. Der Preis war hoch gewesen.
Als Sascha längst fort und ihr zukünftiges Miteinander geregelt war, kam das große Zittern. Die Anspannung war von ihm abgefallen und hatte sich in dem plötzlichen Gefühl, nicht atmen zu können, ein Gesicht gesucht. Eine halbe Nacht lang war er versucht gewesen, Sascha anzurufen und ihm zu sagen, dass er nicht konnte. Dass er es nicht schaffte, mit ihm in Kontakt zu bleiben. Dass es ihm Angst machte, ihn aus dem Rhythmus warf und dass es besser war, wenn sie sich nie wiedersahen.
Das Wissen um Saschas Studienfach hatte ihn erschüttert. Andreas war alles andere als sicher, ob Sascha ihm die Wahrheit gesagt hatte, was seine Gründe für diese Entscheidung betraf. Er schwankte zwischen zwei Impulsen. Auf der einen Seite konnte er sich nicht vorstellen, dass seine Person wichtig genug war, um Saschas berufliche Laufbahn zu beeinflussen. Auf der anderen Seite hielt er es für abwegig, dass seine Krankheit nichts damit zu tun hatte. Sascha hatte nie ein Wort über ein Interesse an der Psychologie verloren. Es verunsicherte Andreas, dass er diesen Weg eingeschlagen hatte. Er hatte Angst, gläsern zu werden – und wusste gleichzeitig, dass es ihm nicht schaden konnte, wenn jemand hinter die Fassaden sah.
Jedes Mal, wenn er darum kämpfte, seine Angst nicht zu zeigen, vergeudete er Energie. Immer, wenn er versuchte ein anderer zu sein, verschleuderte er seine Reserven. Es war eine Erleichterung, anderen Menschen seine Schwäche zeigen zu dürfen. Und doch kämpfte etwas in ihm verbissen dagegen an.
Triton kam zurück. Der Strick hing halb aus seiner Schnauze, als er einen Meter von Andreas die Vorderbeine einknickte und mit dem Schwanz wedelte. Den Hintern drückte er in die Höhe, seine Körperhaltung sagte: »Komm, lass uns spielen. Aber du musst dir das Spielzeug schon holen. Noch ist es meine Beute.«
Doch Andreas winkte ab und rief den Hund zu sich, bevor der sich übernahm. Das dichte weiße Fell war heiß, als er Triton über den Kopf strich und sich den Strick geben ließ. Ein paar Mal schnappte der Kuvasz nach dem Spielzeug, bis Andreas ihn streng zurechtwies. Triton musterte ihn aus dunklen Augen und gab schließlich mit dem Pendant eines menschlichen Schulterzuckens nach. Andreas war zufrieden mit ihm. Von anderen Mitarbeitern des Tierheims hätte Triton sich das Spielzeug nicht abnehmen lassen.
Sie setzten sich in den Schatten eines mageren Busches. Seiner Ablenkung beraubt wurde Andreas bewusst, wie schnell sein Herz schlug. Aufregung ließ ihn flach atmen und nistete sich als milde Übelkeit in seinem Magen ein. Das Warten machte es nur noch schlimmer.
Als er Sascha vor zwei Tagen angerufen hatte, war ihm vor Nervosität fast das Telefon aus der Hand
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