Nach der Hölle links (German Edition)
ergänzte, konnte er nicht einmal vor sich selbst zugeben. Zu theatralisch, zu klischeebeladen, zu intim.
In Ermangelung einer Antwort zuckte er hilflos die Achseln.
Brain erhob sich plötzlich. Er rückte seine Jeans zurecht und nickte Sascha zu: »Wie dem auch sei. Wenn dir je danach ist, dich in der Sache auszukotzen, bin ich dein Mann. Und hey, frag Andreas doch, ob er Bock hat, nächstes Wochenende mit zur Party zu kommen. Er ist herzlich eingeladen.« Damit wandte Brain sich von ihm ab und trat zur Tür.
Überrascht richtete Sascha sich auf. »Was hast du vor, willst du gehen?« Er fühlte sich schäbig. Seine Gastfreundschaft ließ zu wünschen übrig. Er hatte seinem Umzugshelfer nicht einmal etwas zu trinken angeboten.
»Sagen wir, ich habe den Eindruck, du musst eine Weile allein sein«, drehte sich Brain zu ihm um. Seine Stimme klang eigenartig sanft. »Ich kann’s verstehen. Als das Ding mit Nina in den Seilen hing, war mir auch nicht nach Gesellschaft zumute. Aber hey …«, er grinste wölfisch, »… wenn ich mir ins Gedächtnis rufe, wie Andreas vorhin deinen Arsch abgecheckt hat, ist bei euch beiden die letzte Messe noch nicht gesungen.«
»Er hat … was?«, krächzte Sascha. Seine Hand zuckte hoch und legte sich mit gekrümmten Fingern vor die Brust. Von einem Moment zum nächsten stand sein Körper unter Strom, schrie danach, auf die Beine zu kommen und aktiv zu werden. Sein Bauch und sein Unterleib wurden erst heiß, dann kalt. Hatte Andreas …? Wirklich?
Brain lachte: »Du hast mich schon verstanden.« Er klopfte an den Türrahmen und machte eine komische, kleine Verbeugung, bei der die Anhänger seiner zahlreichen Ketten zart klirrten. »Du weißt, wo du mich findest, wenn es etwas gibt.«
»Ja, ich weiß«, murmelte Sascha verwirrt, bevor er ein schnelles »Und Brain … danke« folgen ließ. Dass er sich für mehr als die Umzugshilfe bedankte, musste er nicht in Worte fassen. Sein Freund verstand ihn auch so.
Brain hob zum Abschied die Hand, dann trat er in den Flur und schloss leise die Tür hinter sich.
Sobald Sascha allein war, schob er ein Kissen unter den Kopf und rollte sich auf der Seite zusammen. Dem angenehmen Sommertag zum Trotz fror er innerlich. Vielleicht bahnte sich eine Grippe einen Weg in seinen Körper.
Er war zu Hause, bei Tanja und ihrer Familie. Er konnte nicht behaupten, dass er diese Umstellung bereits verdaut hatte; von den übrigen Ereignissen des Tages ganz zu schweigen. So viel war geschehen. Gutes. Schlechtes. Aufregendes. Zu viel, um darüber hinwegzugehen, ohne ins Grübeln zu kommen.
Melancholie legte sich als wollene Decke über Sascha. Irgendwo zwischen Brustbein und Wirbelsäule waberte eine diffuse Empfindungswolke. Wilde Zärtlichkeit und Enttäuschung, Zorn und Dankbarkeit, Bewunderung und Ärger über sich selbst. Mittendrin, als Kern des Ganzen, Sehnsucht.
Zu gern wäre er bei Andreas geblieben. Es war so schön gewesen, ihn von der Arbeit abzuholen und zu erleben, wie er mit dem gewaltigen Hund tollte. Zu sehen, dass er am wahren Leben teilnahm.
Die Hamburger vom Mittagessen waren zur Delikatesse geworden, nur weil Sascha sich in der richtigen Gesellschaft befand. Das unerwartete Hilfsangebot und anschließend Hand in Hand sein Zimmer auszuräumen, hatte ihn verflixt stolz gemacht. Er war nicht sicher, ob es klug gewesen war, Andreas zu sagen, wie er empfand. Sascha hatte nicht anders gekonnt. Dass er die Fortschritte sehen durfte, dass sie überhaupt zustande gekommen waren, machte ihn glücklich. Einzig die Tatsache, dass er nicht von Anfang an dabei gewesen war, trübte seine Begeisterung.
Gequält schloss Sascha die Augen. Er wünschte sich an Andreas’ Seite. Er wollte ihm etwas Gutes tun, weil er sich tapfer geschlagen hatte. Ihm etwas schenken, ihm einen schönen Abend bereiten, ihm die Schultern massieren, falls er das wollte. Himmel, wenn es nach Sascha gegangen wäre, würde er Andreas überall massieren; langsam und genüsslich.
An dieser Stelle seiner Überlegungen kamen ihm Brains Fragen und Bemerkungen in den Sinn. Still gestand Sascha sich ein, was er dem Freund gegenüber nicht zugeben mochte: Er spielte auf Zeit. Er wollte Andreas für sich, selbst wenn es Aspekte gab, die ihn mit Sorge und ängstlichem Respekt erfüllten. Sascha konnte nur hoffen, dass Andreas eines Tages seine Meinung änderte und ihn willkommen hieß.
* * *
Eine halbe Stunde später kehrte Tanja von der Probe zurück. Sie hatte Sina vom
Weitere Kostenlose Bücher