Nach der Hölle links (German Edition)
Ende dafür zahlen müssen, dass wir schwul sind?«
»Nein«, antwortete Sascha wie aus der Pistole geschossen. »Das würde keinen Sinn machen, wenn du mich fragst. Wenn ich den Teil mit der Schöpfung richtig verstanden habe, ist Gott allwissend und allmächtig. Entweder liebt er alle Menschen oder gar keine. Wenn er alle liebt, muss sich niemand von uns Sorgen machen. Wenn er uns nicht liebt, kann er uns gestohlen bleiben.«
»Womit du alle Fragen nach der Hölle, Sünden und dem Fegefeuer elegant umschifft hast.«
»Wurde ja eh erst später dazugesponnen«, lächelte Sascha und musste zugeben, dass er sich wohl in seiner Haut fühlte. Es war schön, zusammen mit Nils im Bett zu liegen, während der Regen an die Scheiben trommelte. Wer hielt nicht gern einen gut aussehenden Mann an sich gedrückt?
Nils gab ein weitläufig interpretierbares Geräusch von sich und presste sich dichter an Sascha, fuhr ihm über den Rücken. Er streichelte die Wirbelsäule entlang, bevor er flüsterte: »Ich habe Angst, dass ich damit irgendwann allein bin. Dass ich sehen kann, wo ich bleibe, während alle Leute, mit denen ich zur Schule gegangen bin, Familien gründen. Nur ich bleibe allein.«
»Du bist nicht allein«, gab Sascha automatisch zurück. Dieses Gedankengut war neu für ihn. Dass Nils sich mit seiner irdischen Zukunft beschäftigte, kam nicht oft vor. Vermutlich ein weiteres Samenkorn seines Vaters, das erfolgreich aufgegangen war.
Nils schwieg. Sascha war ihm dankbar, dass er in dieser Situation nicht mit der »Wenn Andreas vor deiner Tür auftauchte, würdest du sofort auf Knien vor ihm liegen«-Litanei um die Ecke kam.
Dabei war der Gedanke absurd. Erstens war Andreas aus seinem Leben verschwunden, und zweitens würde er Nils weder verlassen noch mit ernsthaften Beziehungsgesprächen belasten, solange es ihm schlecht ging. Sascha hatte schon einmal jemanden verlassen, der ihn brauchte. Diesen Fehler wollte er nie wieder machen.
Kapitel 4
»Moin, da bist du ja. Ich brauche drüben deine Hilfe. Kannst du mitkommen?«
Mit brennenden Augen blickte Andreas von der Arbeit auf. Der Uringeruch war so intensiv, dass er ihm die Schleimhäute zu verätzen schien. Mandy war mit Sonnenbrille auf der Nase hinter ihm aufgetaucht. Angesichts des Dämmerlichts im Raum gab sie einen merkwürdigen Anblick ab.
Statt auf ihre Bitte einzugehen, fragte Andreas: »Hat es einen bestimmten Grund, dass du mit einer Sonnenbrille herumläufst? Überhaupt, warst du gestern krank?« Seine Kollegin war am Vortag nicht zur Arbeit erschienen. Sie hatte ihm gefehlt.
»Migräne«, lächelte Mandy schwach. »Ich kann immer noch kein Licht ertragen.« Sie rümpfte die Nase und blickte sich um. »Was müffelt hier denn so?«
Als Pfleger im Tierheim war man einiges gewohnt, aber der bestialische Gestank, der Andreas umgab, fiel selbst gestandenen Mitarbeitern auf.
»Ratten. Genau 67 Hausratten. Die Hälfte Weibchen und vermutlich …«, sie tauschten einen vielsagenden Blick aus, »… fast alle tragend. Sie kamen in zwei Wäschekörben an. Ich glaube nicht, dass sie in den letzten Monaten frische Einstreu gesehen haben.«
Andreas war angewidert. Nicht die mageren Ratten mit ihren entzündeten Augen ekelten ihn, sondern die Fremden, die sie mitten in der Nacht vor der Pforte des Tierheims abgestellt hatten. Wer wusste, wie lange die Tiere hatten warten müssen, bevor sie gefunden wurden? Ihr von Unrat verklebtes Fell ließ ahnen, dass man sich in letzter Zeit kaum oder gar nicht um sie gekümmert hatte.
Er konnte sich gut vorstellen, was geschehen war. Jemand hatte sich ein paar Ratten besorgt und nicht darauf geachtet, welchem Geschlecht sie angehörten.
Das Ergebnis war eine Rattenexplosion, die dazu führte, dass die Tiere »entsorgt« wurden. Im Nagetierhaus hatten sie häufig mit Problemen dieser Art zu tun. Seit einer guten Stunde war Andreas damit beschäftigt, die mittlerweile nach Geschlechtern getrennten und vom Tierarzt behandelten Ratten auf saubere Käfige zu verteilen.
Mandy trat näher und blickte über seine Schulter auf eine dickbäuchige Rattendame, die schnuppernd ihr neues Domizil in Augenschein nahm. »Immer dieselbe Scheiße. Die armen Viecher. Hoffentlich können wir sie vermitteln.«
Zustimmend nickend schloss Andreas den Käfig und richtete sich auf. Von der Seite konnte er unter Mandys Sonnenbrille sehen und ihre verquollenen Augen erkennen. »Und wie geht es dir?«
»Die Welt dreht sich nicht mehr, wenn ich
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