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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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Frauen lächelten warm, während Triton jämmerlich winselte.
    Andreas senkte den Blick und lief vor Dankbarkeit und Verlegenheit rot an. Plötzlich hatte er es fast ebenso eilig wie Triton, den Raum zu verlassen. Mit einem in die Nase gerutschten »Bis später« verabschiedete er sich und lief nach draußen.
    Erst dort gestattete er es sich, sich über das Kompliment der Ärztin zu freuen. Spontan beschloss er, heute etwas länger zu bleiben und mit Triton einen Spaziergang zu machen.
    * * *
    »Danke noch mal. Ich weiß nicht, was ich ohne deine Hilfe gemacht hätte.«
    »Wenn du dich noch einmal bedankst, lasse ich dich das nächste Mal mit deinen kaputten Gräten sitzen«, drohte Sascha seiner Tante halb ernst und warf ihr den Autoschlüssel zu.
    Tanja drehte die Finger vor ihrem Mund, als würde sie eine Tür zuschließen, und machte einen unbeholfenen Knicks. Sie stand auf dem Podest vor dem Haus, um ihren Neffen zu verabschieden. Ihr linkes Bein steckte bis zum Knie in Gips – Resultat eines vergessenen Putzeimers, einer Treppenstufe und einer zu schnell zum Telefon rennenden Tanja. Das gebrochene Bein war zum ungünstigsten Zeitpunkt des Jahres über sie gekommen; genau in den Monaten, in denen ihr Ehemann Aiden mit seinem Orchester auf Tournee war. Der größte Teil des Alltags ließ sich mithilfe ihrer Kinder Sina und Fabian bewältigen, aber wenn es um das Einkaufen von Getränkekisten ging, brauchte Tanja die Hilfe ihres Neffen.
    Sascha war für sie zum Supermarkt gefahren und hatte wie ein Hamster eingekauft, aber nun drängte ihn sein Zeitplan. Er musste dringend lernen und wollte am Abend zu einer Party, auf die er sich seit Wochen freute.
    Mit zwei Fingern winkte er Tanja zu und machte sich auf den Weg zur Bushaltestelle. Die ersten Meter lief er. Doch kaum, dass er das Gartentor hinter sich gelassen hatte, verlangsamte er seinen Schritt. Es fiel ihm jedes Mal von Neuem schwer. Immer, wenn er an der Villa der Nachbarn vorbei musste, wollte etwas in ihm kehrtmachen und weglaufen. Oder alternativ den schmalen Weg zum Haus der von Winterfelds hochhetzen und an die Tür hämmern, bis ihm geöffnet wurde. Aber es hatte keinen Sinn. Er wusste das, weil er es in der Vergangenheit bereits versucht hatte.
    Damals.
    Sascha schluckte und senkte den Blick. Er wollte nicht in die fremden Fenster sehen, wollte sich nicht fragen, warum seit den Vorfällen vor drei Jahren Überwachungskameras unter dem Dachfirst summten und jeden, der das Grundstück betrat, ins Visier nahmen. Die einäugigen Spione machten ihm Angst. Er hatte nichts zu verbergen, aber er wollte wissen, warum sie angebracht worden waren.
    Er kam nicht mehr oft her. Besuchte seine Tante nicht gerne, obwohl sie ihm näher stand als seine Mutter. Zu viele Erinnerungen wurden wach, wenn er den vertrauten Stein des Bürgersteigs unter den Füßen spürte. Die Fassaden der Häuser sah, die für ein gutes Jahr sein Zuhause flankiert hatten.
    Es war, als wäre es erst wenige Wochen her, dass er einer Kurzschlussreaktion erlag und eine Entscheidung fällte, die er im Nachhinein bitter bereute. Es ging nicht nur darum, dass er den Jungen, den er damals verlassen hatte, nicht vergessen konnte. Vor allen Dingen plagte ihn sein schlechtes Gewissen, weil er nicht wusste, was aus Andreas, seinem Andreas, geworden war.
    Noch heute hatte Sascha nachts manchmal das erschrockene Gesicht vor Augen, in dem sich langsam die Erkenntnis setzte. Er hörte sich selbst sagen: »Es wäre besser gewesen, wenn wir Freunde geblieben wären.« Es war aus ihm herausgeplatzt, weil er zu dem Zeitpunkt wirklich daran geglaubt hatte. Weil er gedacht hatte, dass alles leichter werden würde, wenn er Andreas aus seinem Leben schnitt. Für ihn, für sich selbst, für sie.
    Sascha hatte keine Zukunft gesehen, keine Chance für ihre Gefühle. Zumindest nicht, solange er nicht wusste, wo ihm der Kopf stand und ein Berg Arbeit auf ihn wartete. Das Abitur ragte damals wie ein Ungeheuer vor ihm auf. Andreas’ eigenartige Anwandlungen überforderten ihn. Er hatte panische Angst, dass er seine eigene Freiheit aufgeben musste, wenn er mit Andreas zusammen sein wollte. Und er fürchtete sich davor, sich in jungen Jahren so zu verlieben, dass es für eine lange Zeit, wenn nicht sogar für ein Leben, reichte.
    Sascha hatte Andreas großspurig versprochen, ihm mit seiner Krankheit zu helfen. Stattdessen war er selbst gerannt wie ein Hase. Verängstigt, in Panik, kopflos.
    Es hatte zwölf Stunden

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