Nach der Hölle links (German Edition)
»Dankeschön. Für die Einladung. Und so.«
Seine Unsicherheit wäre rührend gewesen, wenn Sascha nicht gewusst hätte, dass sie in jahrelanger sozialer Verwahrlosung fußte. Nichts, was man niedlich finden sollte, sondern das Ergebnis tragischer Einsamkeit.
Und wenn ich nicht gleich aufhöre, meinen Freund zu zerlegen, wird er mir irgendwann eins auf die Nase geben, schlug Sascha sich innerlich selbst auf die Finger. Laut fragte er: »Sollen wir dir beim Abwasch helfen?«
Selbst ihm fiel der flehentliche Unterton in seiner Stimme auf.
Tanja schmunzelte. »Ne, lass mal. Das lohnt sich nicht, bevor meine Monster gegessen haben. Haut schon ab, ihr beiden.«
Das ließ Sascha sich nicht zwei Mal sagen. Er gab Andreas einen liebevollen Klaps auf den Rücken und bedeutete ihm, in sein Zimmer zu gehen. Oben angekommen schmetterte Sascha die Tür ins Schloss und lehnte sich von innen dagegen. »Endlich.«
Andreas steuerte auf das Bett zu und ließ sich bäuchlings darauf fallen. Es sah aus, als würden ihm vor Schwäche die Beine einknicken. Dumpf gemurmelte Worte verloren sich in der Tagesdecke, sodass Sascha zu ihm ging und sich neben ihn setzte. »Wie bitte?«
Schwerfällig hob Andreas den Kopf: »Ich sagte, deine Tante hatte recht. Jetzt ist mir nicht mehr übel, sondern nur noch lausig zumute.« Er schob die Hand in Saschas Richtung. »Legst du dich zu mir?«
»Das lasse ich mir sicher nicht entgehen.«
Rasch schob Sascha sich neben seinen Freund und zog ihn an sich. Andreas’ Gesicht fand kurzzeitig Platz an seinem Arm, bevor ihnen einfiel, wie lange sie sich nicht gesehen hatten. Ihre Körper drängten sich aneinander, Hände suchten Vertrautes. Innige, träge Küsse ließen den jeweils anderen wissen, dass er vermisst worden war.
Erst, als ihr Atem sich beschleunigt und Sascha eine Hand auf Andreas’ bloßem Rücken liegen hatte, wandte dieser den Kopf beiseite und öffnete die Augen. Abwesend streifte sein Blick über die Zimmerdecke. »Hast du deiner Tante gesagt, warum ich bei meiner Mutter war? Sie hat sich ja fast überschlagen.«
»Nein, natürlich nicht«, runzelte Sascha die Stirn.
»Warum nicht?«
»Weil ich dachte, es würde dich stören. Abgesehen davon wollte ich verhindern, dass sie zu deiner Mutter geht und sie erwürgt, falls sie etwas Dummes sagt. Tanja hat dich inzwischen fast adoptiert, musst du wissen.«
»Da gibt es Schlimmeres«, seufzte Andreas und schob eine Hand in Saschas Nacken. Er dachte einen Moment nach, bevor er hinzufügte: »Ich glaube, du hättest es ihr ruhig erzählen können. Sie ist in Ordnung. Und doof ist sie ja nun auch nicht. Sie wird sich eh gefragt haben, warum du so zappelig bist.«
»Ich bin nicht zappelig!«
»Doch, bist du«, lächelte Andreas abwesend. Sein Blick hatte sich inzwischen an der Gardinenstange festgemacht und war nicht gewillt, sich von dort zu lösen. Er wirkte, als wäre er weit fort.
Saschas Zunge schien übergroß in seinem Mund; begierig, die Fragen zu stellen, die ihm die Kehle zuschnürten. Er wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen, doch er konnte sich nicht länger bezähmen und fragte vorsichtig: »Und? Wie … geht es dir?«
Andreas lehnte den Kopf an Saschas Brust. »Keine Ahnung.« Er ließ die Hand über den eigenen Bauch gleiten; vorsichtig, als fürchte er Schmerzen. »Sie ist total fertig. Und sie will mit mir spazieren gehen. Ich meine, ich bin hingegangen, um ihr zu sagen, dass ich schwul bin. Und was ist das Ergebnis? Sie heult, jammert mir vor, wie schlecht es ihr geht …«, er sah auf. »Mein Vater ist ausgezogen. Oder hat sie ihn rausgeschmissen? Ich weiß es nicht mehr. Sie ist krank. Irgendwie. Schon immer gewesen oder so. Behauptet sie jedenfalls.«
Verwirrt kniff Sascha die Augen zusammen. »Ja schön, aber hast du ihr gesagt, dass du schwul bist? Oder hast du das nicht mehr gemacht? Hast du ihr von uns erzählt?«
»Klar habe ich es ihr gesagt«, entgegnete Andreas, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, dass er nicht gekniffen hatte. »Aber ich kann dir nicht einmal sagen, ob es sie interessiert hat. Vielleicht hat sie es auch gar nicht geschnallt. Doch, muss sie. Sie hat mich gefragt, ob ich dich lieben würde. Und dann kam ihre Litanei.« Er sprach zunehmend schneller. »Das ist so typisch. Ich gehe zu meinen Eltern, habe ihnen etwas zu sagen und was passiert? Auf einmal geht es nicht mehr um mich, sondern um sie. Heyho, wir haben einen Fortschritt gemacht. Es geht immerhin um meine Mutter
Weitere Kostenlose Bücher