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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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die Fresse falle. Wie viel tiefer soll ich denn bitte noch sinken?« Die Vorstellung, vor Sascha zuzugeben, wie tief er ihn verletzt hatte, war für Andreas ein Albtraum. »Warum stelle ich mich nicht gleich hin und bitte ihn, mir in die Eier zu treten?«
    »Gefühle zu haben und in diesen Gefühlen verletzt zu werden, ist nichts, wofür man sich schämen müsste. Ist es am Ende denn wichtig, was er von dir denkt? Im schlimmsten Fall reagiert er abweisend, im besten Fall erklärt er sich. Vermutlich werdet ihr euch danach nie wiedersehen. Aber was auch immer passiert: Du wärst die Wut los, die seitdem in dir arbeitet«, beharrte der Therapeut. »Wie gesagt: Vielleicht war es anders, als du es dir im Nachhinein zusammengereimt hast.«
    »Soll das heißen, ich spinne?« Allmählich sah Andreas rot. Er war hergekommen, um sich aufbauen zu lassen. Nicht, um sich dümmliche Ratschläge anzuhören oder eine längst vergessene Geschichte sezieren zu lassen. Was dachte Köninger sich dabei? Warum legte er ihm die Daumenschrauben an? Sascha hin oder her, die Wahrscheinlichkeit, dass Andreas sich verliebte und auf eine Beziehung einließ, war sowieso verschwindend gering. Wer band sich schon einen Klotz ans Bein?
    »Nein, selbstverständlich nicht«, beschwichtigte Köninger ihn sanft. »Aber egal, wie sehr wir uns bemühen, fair zu sein, wir sehen immer nur unsere eigene Seite eines Geschehens. Dir die andere Seite anzuhören, könnte für dich ein Weg sein, endlich abzuschließen und dich von den negativen Aspekten dieser Erfahrung zu befreien.«
    Ein stählernes Glimmen trat in Andreas’ Augen, als er Köningers Vorschlag mit einer rüden Geste fortwischte. »Dieses Geschehen war eindeutig. Ich habe ihn geliebt, er mich nicht. Was gibt es darüber noch zu diskutieren? Ich will nicht mit ihm reden. Und ich bin ein verdammt glücklicher Mensch, wenn ich ihn nie wiedersehen muss.«
    Zum zweiten Mal in dieser Sitzung war er nicht ganz ehrlich.
    * * *
    Wenn man Sascha gefragt hätte, worum es in der Vorlesung ging, hätte er geantwortet: »Um die Kringel, die ich auf meinen Block gekritzelt habe.«
    Es war ein Wunder, dass er es überhaupt geschafft hatte, pünktlich die Uni zu erreichen und in den richtigen Hörsaal zu finden. Danach hatte sein Gehirn sich verabschiedet.
    Die letzten Tage waren wie ein schlechter Film an Sascha vorbeigegangen. Ein Streifen, in dem er selbst eine Marionette war, die nicht kontrollieren konnte, wohin ihre Gliedmaßen tanzten. Dass er die Darsteller nicht einmal leiden konnte – sich selbst eingeschlossen –, machte es nur schlimmer. Zwischenzeitlich hätte er am liebsten das Sparbuch geleert, eine Reisetasche gepackt und sich in den Flieger nach Mexiko gesetzt. Ein Dasein als Kaktusbauer erschien ihm ungemein reizvoll. Nur er, ein Sombrero und vielleicht ein nettes Muli.
    Es ging nicht nur darum, dass er Andreas begegnet war und dass dessen wütende Worte ihn getroffen hatten. Dass Sascha erfahren musste, dass sein Ex-Freund genauso sauer auf ihn war, wie er es verdiente.
    Es ging darum, dass Svenja ihm gefühlte hundert Mal geraten hatte, sich heute mit seinem Professor zu beraten. Darum, dass sein Freund nach spätestens zwölf Stunden gemerkt hatte, dass etwas vorgefallen war.
    Glücklicherweise konnte Nils sich nicht mit Saschas seltsamer Laune beschäftigen, weil er Freitagmorgen einen bitterbösen Brief von einer seiner Schwestern bekommen hatte. Sie verlangte von ihm, sich von ihrem Vater fernzuhalten, da er dessen schwaches Herz überfordere. Seitdem versumpfte Nils in seinem Zimmer und lamentierte, dass er nur in Saschas Armen Trost und Schlaf finden könne. Dass Sascha andersherum schluckend auf dem Bett lag, das weinende Bündel festhielt und sich daran erinnerte, wie es gewesen war, Andreas zu umarmen, konnte man ihm glücklicherweise nicht ansehen.
    Dabei gab es seit Donnerstagabend nur einen einzigen klaren Gedanken in seinem Kopf: »Er hat es geschafft, und ich habe ihn im Stich gelassen, als er mich brauchte.«
    Das schlechte Gewissen, das Sascha in den letzten Jahren latent begleitet hatte, tanzte jetzt auf seinen Nervenbahnen Quickstepp. Er erinnerte sich an die Versprechen, die er gegeben hatte. Sie hatten das Ziel geteilt, Andreas Schritt für Schritt von seiner Angst zu befreien, bis sie im Sommer am Elbstrand grillen konnten. Sascha hatte sich nicht daran gehalten, und das konnte er sich nicht vergeben.
    Er wollte den Schaden wieder gutmachen. Er wollte wissen, wie es

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