Nach der Hölle links (German Edition)
Andreas ins Schlafzimmer. Sein Bett schien ihm ein guter, sicherer Ort zu sein. Er lag still, bis er Sascha durch den Flur gehen hörte; direkt an der blinden Tür vorbei, die er mit einem Bücherregal zugestellt hatte. Wer brauchte schon zwei Türen im Schlafzimmer? Das kam davon, wenn man einen Altbau modernisierte.
Andreas bebte, als er Sascha nach sich rufen hörte. Eine Welle diffuser Angst rollte über ihn hinweg. Überforderung vermengt mit altem Schmerz traf auf ein Empfinden, das Hammerschlägen auf bereits wunde Daumen gleichkam.
Er antwortete nicht auf die halblauten Rufe, sondern verkroch sich tief unter seine Decke und betete, dass Sascha die geschlossene Tür zum Schlafzimmer akzeptierte.
Kapitel 13
Sascha erwachte nicht zum ersten Mal in einer fremden Wohnung. Auch das Pochen hinter seinen Schläfen und der latente Wunsch, sich für drei Tage in eine Erdhöhle zu verkriechen, waren ihm nicht neu. Man konnte nicht exzessiv das Studentenleben genießen und feiern, ohne das eine oder andere Mal böse abzustürzen.
Dennoch, etwas war anders, als er dieses Mal zu sich kam und die griffige Textur von Leder unter sich spürte. In seinem Hinterkopf nagte sich ein Gedanke einem gefräßigen Holzwurm gleich durch seine Gehirnwindungen. Jeder Bissen ein Erinnerungsfetzen – eine Sekunde, mal zwei oder fünf –, der verdaut werden wollte.
Sascha murrte. Angeekelt bleckte er die Zähne und fand den sauren Geschmack von Erbrochenem in den hinteren Winkeln seines Mundes. Sein ungehaltener Magen zog sich zusammen und ging in Hab-Acht-Stellung, beließ es jedoch glücklicherweise dabei. Sascha hatte keine Ahnung, wo sich in dieser Wohnung das Bad befand. Dabei glaubte er, es wissen zu müssen.
Die Kopfschmerzen gewannen an Stärke, als er sich vorsichtig aufsetzte und seine Umgebung erfasste. Wie durch den Sucher einer Kamera bemerkte er die Wasserflasche, die neben ihm bereitstand. Gierig griff er zu, um sich den Geschmack der vergangenen Nacht von der Zunge zu waschen.
Während er trank, sah er sich über die Flasche hinweg um. Das weitläufige Wohnzimmer gehörte eindeutig zu keiner Studentenbehausung. Seine eigene Wohnung hätte fast in diesem Zimmer Platz gefunden. Die Sitzecke, in der er Quartier gefunden hatte, zeugte von Luxus. Nicht, dass sich protzige Gemälde oder Raumschmuck um ihn herum gestapelt hätten, aber allein die Couchgarnitur musste ein Vermögen gekostet haben. Schwarzes Leder, am Boden abgesetzt mit einem verchromten Fuß, der die gestaltende Hand eines Designers verriet.
Ein Fernseher, der in seinen Dimensionen an eine Kinoleinwand erinnerte, drängte sich in Saschas Blickfeld. Dahinter erhoben sich Regale; angefüllt mit Büchern, DVDs und für Sascha mit dem befremdlichen Gefühl, etwas Verlorenes wiedergefunden zu haben.
Er reckte den Hals. Zwei Doppeltüren gab es. Nein, halt. Eine dritte, sogar eine vierte Tür fiel ihm auf. Und doch hatte er nicht das Gefühl, sich in einem Durchgangszimmer aufzuhalten. Die schiere Größe des Wohnzimmers verschluckte die Zugänge. Eine der Türen führte auf eine Dachterrasse, die ihrerseits genug Raum für ein großzügiges 2-Zimmer-Appartement bot. So weit Sascha es erkennen konnte, zog sie sich rund um das halbe Gebäude. Aus seiner Erinnerung schälte sich die Information, dass die Flügeltür zu seiner Linken in den Flur mündete. Darüber hinaus kannte er sich nicht aus.
Er war bei Andreas. Sascha war sich dessen plötzlich so sicher, wie er wusste, dass er zwei Augen und eine Nase hatte. Er erschrak nicht, er griff sich nicht an den Schädel. Es war, als hätte die Gewissheit die ganze Zeit über neben ihm auf der Couch gesessen und nur darauf gewartet, dass er sie bemerkte. Für eine halbe Minute fand Sascha es unbedenklich, dass er in der Wohnung seines Ex-Freunds war und sich kaum erinnern konnte, wie er hierher gekommen war. Vage glaubte er, sich selbst in einem Treppenhaus stehen zu sehen. Absinth, viel davon. Der Kuss der grünen Fee, nein, von Andreas, süß und gierig.
Saschas Arme und Beine nahmen eine Gänsehaut an. Sie hatten sich geküsst, hier auf dieser Couch. Falsch. Sascha hatte Andreas geküsst. Er war ihm ganz nah gewesen. Und dann? Nichts mehr.
Eine Flutwelle der widersprüchlichsten Gefühle tobte über Sascha hinweg und riss ihn im wahrsten Sinne des Wortes um. Entsetzt, erfreut, verwirrt, besorgt ließ er den Oberkörper zurücksinken und legte schützend den Unterarm über die Augen.
Was hatte er angestellt?
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