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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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ungewöhnlich zwischen ihnen. In der Zeit, als Sascha im Abitur steckte und sich gleichzeitig wegen der Trennung von Andreas quälte, hatte Tanja ihm meisterhaft zur Seite gestanden. Sascha fühlte sich bei ihr gut aufgehoben. Damals hatte er die Erfahrung gemacht, dass es ihm half, seine Gedanken von Zeit zu Zeit auszusprechen.
    Verständnisvoll nickte Tanja. »Du weißt, dass du jederzeit wieder bei uns einziehen kannst, oder? Klar, nicht gerade der Wunschtraum eines Studenten, aber vielleicht besser als ewig dicke Luft in der WG.«
    Dankbar lächelnd erwiderte Sascha: »Das ist lieb von dir, aber es kann nicht angehen, oder? Ich meine, wir müssen das auf die Reihe bekommen. Ich will nicht umziehen. Wir sind doch erwachsen. Ich wünschte nur, ich käme wenigstens auf dieser Baustelle endlich zur Ruhe. Es ist ja nicht so, als hätte ich keine anderen Sorgen.«
    »Alles ein bisschen viel, hm? Ich nehme nicht an, dass du Andreas aus dem Kopf bekommen hast.«
    »Nein, natürlich nicht.« Ungehalten wedelte Sascha nach einer Wespe, die Kurs auf den offenen Honigtopf nahm.
    »Aber gemeldet hat er sich auch nicht?«, fragte Tanja behutsam.
    Ein eigenartiger Gesichtsausdruck schlich über ihre Züge und verfestigte sich zu einer Maske des schlechten Gewissens. Sie fühlte sich nicht wohl mit der Rolle, die sie einst bei der Trennung der Freunde gespielt hatte. Erst im Nachhinein war deutlich geworden, wie tief Andreas’ Wurzeln sich bereits in Saschas Seele gegraben hatten – und andersherum gewiss ebenso. Es war richtig gewesen, ihren Neffen mit der Nase auf zukünftige Probleme zu stoßen. Aber das Ergebnis hatte sie nicht gewollt. Wer verursachte schon gern, dass der eigene Ziehsohn monatelang wie ein Häufchen Elend durch die Gegend schlich?
    Betrübt schüttelte Sascha den Kopf.
    Tanja seufzte. »Schade, ich hatte gehofft, dass er vielleicht an deinen Geburtstag denkt.«
    »Wie sollte er?«, blickte er überrascht auf. »Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er weiß, wann ich Geburtstag habe. Erinnerst du dich nicht? Ich bin kurz nach meinem achtzehnten Geburtstag nach Hamburg gekommen. Und zu meinem neunzehnten waren wir schon nicht mehr zusammen.«
    »Wirklich? Ich kann mich nicht so genau daran erinnern«, gab sie zu. »Ist es wirklich schon vier Jahre her, dass du nach Hamburg gekommen bist? Eine lange Zeit.«
    »Wem sagst du das? Vor allen Dingen sind drei Jahre eine verflucht lange Zeit, um ihm nachzuweinen. Am Ende waren wir nur ein halbes Jahr zusammen«, murmelte Sascha nachdenklich.
    Er nahm die Sonnenbrille ab und rieb sich über den Nasenrücken. Selbst zu dieser frühen Stunde sammelte sich dort bereits der Schweiß.
    »Wo die Liebe hinfällt …«, grinste Tanja und wirkte dabei so gerührt, als hätte sie einen tragisch-romantischen Liebesroman in der Hand.
    »Mach dich ruhig lustig. Ich komme mir selbst schon dämlich genug vor. Da sitze ich hier und warte auf eine Antwort, aber machen wir uns doch nichts vor: Er wird sich nicht mehr melden. Es ist zu lange her. Und ich habe ihm zu übel eins reingewürgt.«
    Tanja scharrte aus den Schalen ihres Eies einen kleinen Turm zusammen. Sie zerdrückte die Bruchstücke zwischen den Fingerspitzen. »Ich weiß es nicht. Am Ende kenne ich ihn kaum. Aber ich denke, du hast ihm vielleicht zu weh getan, um innerhalb von vier Wochen eine Antwort zu erwarten. Lass die Zeit doch für dich arbeiten. Wenn ihm wirklich etwas an dir liegt und du mit deinem Brief Eindruck gemacht hast, wird er sich melden.«
    »Du klingst wie Dr. Sommer«, verzog Sascha das Gesicht. »Was, wenn er den Brief gar nicht gelesen hat? Mich würde es nicht wundern, wenn er ihn entsorgt hätte.«
    Die Vorstellung, dass sein Meisterwerk des literarischen Seelen-Striptease auf direktem Weg im Müll gelandet sein könnte, war niederschmetternd. Er wünschte sich gar nicht viel von Andreas. Er wollte nur mit ihm reden, ihm Fragen stellen und Antworten bekommen. Sich mit ihm zusammensetzen und erfahren, wie es ihm ergangen war. Er wollte mit ihm durch die Stadt schlendern und Unsinn reden, wie sie es früher getan hatten.
    Und ihn umarmen, küssen, an sich ziehen, Sex haben und hinterher mit ihm zusammen einschlafen, leierte Sascha stumm den zweiten Teil der Liste herunter. Er wusste nicht, ob es Liebe war, was er empfand. Dazu war zu viel Chaos in seinem Kopf. Er wusste nur, dass er ganz nah an Andreas heran wollte.
    »Niemand hält dich davon ab, es noch einmal zu versuchen, wenn etwas Zeit

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