Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
Vom Netzwerk:
Dinge war, die er zu Hause gelernt hatte: sich gegenüber Telefonisten und Behörden durchsetzen. Vielleicht kam ihm bei der Gelegenheit ein Teil der Winterfeldschen »Wir haben das Geld und wir machen die Regeln«-Mentalität zu Hilfe. Affentänze mit seinem Telefonanbieter ließ er sich jedenfalls nicht gefallen. Bemerkungen wie »Wissen Sie eigentlich, mit wem Sie reden« und »Gut, ich kann auch meinen Anwalt zurate ziehen« gingen ihm recht leicht von den Lippen, wenn es nötig war. Allerdings wäre Andreas nie auf den Gedanken gekommen, wegen irgendwelcher Rangeleien mit dem Telefon juristische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Aber das wusste der Teilnehmer am anderen Ende der Leitung schließlich nicht.
    »Herr von Winterfeld? Ihre Mutter kann sich gerade leider nicht lösen, aber sie wird gleich eine Pause machen und Sie zurückrufen. Ist Ihnen das recht?«
    Nein, war es ihm nicht, aber Andreas riss sich am Riemen, um Frau Schwarz nicht detailliert zu erklären, wie das Wörtchen »sofort« zu verstehen war. Dabei war es sehr verführerisch, einen Teil seiner Wut schon einmal loszuwerden. Aber nein, nicht bei dieser Frau, die nur ihren Job machte.
    Frustriert legte er auf und riet seiner Mutter innerlich, sich schnell zu melden. Ob sie jemals lernen würde, Prioritäten zu setzen? Kein Kunde oder Aktionär der Welt nahm es übel, wenn eine Geschäftsfrau einmalig zum Telefon gerufen wurde, weil ihr Kind anrief. Schließlich war sie keine Chirurgin, die ihren Arbeitsplatz nicht verlassen konnte, weil sie gerade mit den Eingeweiden eines Patienten spielte.
    Es dauerte exakt sieben Minuten, achtzehn Runden durch das Wohnzimmer und zwei über die Terrasse, bis es endlich klingelte. Er stand gerade draußen und starrte über das Geländer in Richtung Nirgendwo.
    Reiß dich zusammen, ermahnte Andreas sich, bevor er das Gespräch annahm.
    »Schatz, was ist denn los? Frau Schwarz sagt, dass du mich dringend sprechen wolltest?« Margarete klang abgehetzt wie eh und je.
    »Richtig. Mal eine kurze Frage«, Andreas’ Herzrasen weitete sich zu einem Percussion-Festival aus, »warum genau habt ihr damals eigentlich die Überwachungsanlage für den Garten installiert? Warum tat es die Alarmanlage im Haus nicht mehr?«
    Ein kurzes Schweigen folgte, bis Margarete erwiderte: »Du hast mich aus einem wichtigen Meeting holen lassen, weil du wissen willst, warum wir Kameras im Garten haben?«
    »Kannst du bitte einfach die Frage beantworten?«
    »Andreas, das ist doch nicht wichtig. Es hat einen Vorfall gegeben, nach dem wir das Gefühl hatten, dass wir das Grundstück besser schützen müssen«, seufzte sie.
    Seine Schultern sackten nach vorn. Ein Vorfall. Das war ja eine interessante Umschreibung. Angespannt bereitete er sich auf die nächste Frage – oder viel mehr auf die Antwort – vor.
    »Dieser Vorfall war nicht zufällig Sascha, der Neffe von eurer Nachbarin, der nach mir gesucht hat?«, versuchte er zu reden und gleichzeitig den Atem anzuhalten. Entsprechend gepresst kam die Frage aus ihm heraus. Andreas wusste nicht, was er sich wünschen sollte. Welcher Verrat war leichter zu ertragen?
    »Doch, so hieß er, glaube ich«, gab seine Mutter geradezu widerlich ruhig zu. »Der Junge halt, der eine Zeit lang zu Besuch kam.«
    »Und wieso? Ich meine, wieso musste er in den Garten, um Antworten zu bekommen?«
    »Weil wir nicht mit ihm sprechen wollten. Er wurde aufdringlich. Er rief dauernd an und klingelte und hat unsere Haushälterin belästigt. Ständig wollte er wissen, wo du bist. Der Junge war eine echte Landplage. Wir mussten etwas unternehmen.«
    Andreas drehte sich um, schnappte mit geöffnetem Mund nach Luft und lehnte anschließend den Rücken gegen das Geländer. Was für ein Glück, dass er im Freien war. Drinnen wäre er an den Worten seiner Mutter erstickt. Taubheit kroch wie Gift durch seine Gliedmaßen; ein Gletscher, der sich über sein Gefühlsleben schob. Gefährlich leise fragte er weiter: »Und warum habt ihr ihm nicht gesagt, was er wissen wollte?«
    Er konnte es sich denken. Die von Winterfelds gaben nicht freiwillig zu, dass ihr einziger Sohn in der Klapse gelandet war. Da rotierten doch Generationen von Vorfahren vor Verlegenheit im Grab! Nein, solche Details verscharrte man bei den anderen Leichen im Keller.
    Die Antwort seiner Mutter fiel anders aus, als er erwartet hatte. Entrüstet rief sie: »Das fragst du noch? Du hast uns doch selbst gesagt, dass er nichts mehr mit dir zu tun haben wollte, weil

Weitere Kostenlose Bücher