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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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Rettungswagen geschoben wurde. Langsam, wie ein Roboter, dem es schwerfällt, sein Ziel zu erfassen, drehte sie den Oberkörper und schaute Sascha hilflos an, bevor sie wiederholte: »Universitätsklinikum. Ich bringe ihr … sie wird ihr Nachthemd brauchen … und ihr Mann ist auf Dienstreise und … sie ist einfach die Treppe heruntergefallen. Sie hatte es so eilig. Und dann sagte sie … Wie konnte das denn geschehen?«
    Mehr brauchte Sascha nicht zu wissen. Er ignorierte das Gestammel und auch die leise Bemerkung des Arztes, ob es denn klug wäre, einem Fremden vom Aufenthaltsort der Patientin zu erzählen. Er rannte auf direktem Weg zurück zu Tanja und zu ihrem Wagen, der auf ihn wartete. Er verstand nicht genug von Medizin, um die Lage beurteilen zu können. Aber Margaretes leblose Erscheinung machte ihm Angst.
    * * *
    »Nun geh mal beiseite, Pascha. Sonst kann ich hier nicht sauber machen«, sagte Andreas sanft.
    Der alternde Straßenkater kümmerte sich nicht um seine Worte, sondern strich weiterhin prüfend um die Beine seines persönlichen Putzsklaven. In der Art, wie das Tier jeden Handgriff Andreas’ beobachtete, lag etwas Komisches; wie ein Meister, der seinem Zögling bei dessen erstem Gesellenstück auf die Finger sah.
    »Ist ja gut«, murmelte Andreas und strich dem Kater durch das fleckige Fell. Sofort drückte Pascha sich der Hand entgegen, rieb schnurrend den Kopf an Andreas’ Knie. »Aber jetzt ab mit dir. Sonst werden die Klos heute nicht mehr sauber.«
    Er mochte das geräumige Katzenhaus. Die verträglichen Tiere durften hier gemeinsam wohnen; frei von Gittern und winzigen Einzelappartements. Die Einrichtung bestand aus einer Vielzahl gespendeter Sitzgelegenheiten, Körbchen, Kratzbäumen, Decken und um der Hygiene willen einer Unmenge Katzenklos. Durch zwei Klappen konnten die Bewohner entweder in den gesicherten Außenbereich – durch Maschendraht überdacht und mit zwei Bäumchen zum Klettern – oder in einen Ruheraum verschwinden, der für Besucher nicht zugänglich war. Einzig die weißen Fliesen an den Wänden und am Boden ließen das Katzenhaus steril wirken. Ansonsten hätte man es für das Wohnzimmer einer Katzennärrin halten können.
    »Aber an den Fliesen kommen wir nicht vorbei, nicht wahr, Lilly?«, sprach Andreas eine Karthäuser-Mischlings-Dame an, die über ihm auf der Balustrade hockte, welche sich durch jeden Winkel des Hauses zog. Gelassen beobachtete Lilly ihn aus ihren Bernsteinaugen und putzte dabei zierlich ihre Vorderpfote. Es war schade, dass sich die bildschöne, junge Katze nicht vermitteln ließ. Sie schien sich im Tierheim wohlzufühlen, denn jeder Versuch, sie in einer Familie unterzubringen, scheiterte an Lillys destruktivem, blutigem Protest.
    Eine letzte Schaufel Katzendreck verschwand in der Abfalltonne, bevor Andreas sich aufrichtete. Sein Treiben wurde genauestens beobachtet. Nur wenige Katzen musterten ihn direkt. Die meisten taten unbeteiligt, schielten aber über zu putzende Körperteile, den Rand eines Körbchens oder den Körper eines Kumpels in seine Richtung.
    Die Katzen verhielten sich ganz anders als die Hunde im Freilauf. Oftmals buhlten die Hunde um die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter, tanzten um sie herum und jagten im Rudel hinter ihnen her, nur um anschließend zusammen zu spielen. Katzen waren über das Betteln um Zuwendung erhaben. Selbst die unter ihnen, die sich gerne streicheln ließen, boten sich nicht an und schnorrten um Liebe. Vielmehr gestatteten sie großmütig, dass man ihr seidiges Fell berührte und sie unter dem Kopf kraulte.
    Worin Hunde und Katzen sich nicht unterschieden, war die Empathie ihnen vertrauten Menschen gegenüber. Auch hier waren Hunde offensiver in ihrem Verhalten, zeigten deutlicher ihre Sorge, wenn man es so nennen wollte. Aber die Katzen waren Andreas gegenüber in der letzten Zeit ebenfalls huldvoller, großzügiger mit ihrem Nähebedürfnis. Sie konnten seine Melancholie riechen.
    Die vergangenen Wochen hatten Andreas viel gekostet. Den Alltag zu meistern, war wieder anstrengender geworden. Er musste mit mehr Panikattacken leben und hatte viel geweint. Oft lag er nachts wach und fragte sich, womit er so viel Pech verdiente. Erinnerungen aus dem ersten Jahr seiner Behandlung drängten sich ihm zu den unmöglichsten Zeiten in den Kopf.
    Da war dieser Tag gewesen, an dem man sie in der verhassten Gruppentherapie nach ihren sozialen Bindungen gefragt hatte. Andreas hatte sich geschämt, sagen zu müssen, dass

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