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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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von Andreas’ Verstand und wartete auf ihren Einsatz, aber sie hielt sich zurück. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis er seine Grenzen so weit überschritten hatte, dass er sich verlor. So wie ein Mann, der sich vom Lauf des Nils entfernt hatte und in der Wüste verschollen war. Dünen aus verstreichender Zeit, Sandstürme, die geduldig seine Nerven abschmirgelten.
    Andreas war nicht mehr bei sich. Er sah die Wüste vor seinem inneren Auge. Sah sich voller Hoffnung über die Sandriesen stolpern, nur um dahinter die nächste Düne vorzufinden. Durst, Erschöpfung und die Gewissheit, dass das Martyrium irgendwann enden würde. Fraglich war nur auf welche Weise. Dass Sascha seine nutzlos herabhängende Hand ergriff und festhielt, bemerkte Andreas kaum.
    Erst der Wanderer, der vor ihm auftauchte, weckte Andreas aus dem Zwischenreich, in das sein Bewusstsein entflohen war. Er erkannte ihn am Schritt und empfand Erleichterung, Dankbarkeit und gleichzeitig Trauer, weil Sascha seine Hand fahren ließ und von ihm abrückte. War er ihm so nah gewesen?
    Gustav von Winterfeld ging nicht durch den Flur, er schritt. Als Sandlöwe hätte er sich in Andreas’ geistiger Zuflucht gut gemacht. Schnurstracks steuerte er auf seinen Enkel zu. Seine erste Frage lautete: »Wo ist dein Vater?« Die zweite: »Gibt es etwas Neues?«
    Andreas zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf, fing sich einen scharfen Blick und ein Murren ein, das wohl eher Richard galt als ihm. Sascha wurde lediglich mit einem kurzen Blick gestreift und einem noch knapperen Nicken begrüßt.
    Dann nahm Gustav von Winterfeld die Situation in die Hand. Herrisch schnappte er sich die erstbeste Krankenschwester und verlangte einen Arzt zu sprechen. Nach einigem Hin und Her unterhielt er sich mit einem Weißkittel, gestikulierte, fragte, bohrte, nickte. Viele neue Informationen erhielt von Winterfeld Senior nicht, nur, dass die Operation noch im Gange war und bisher alles normal verlief. Das war mehr, als Andreas bis jetzt gewusst hatte. Beruhigt fühlte er sich nicht. Insgeheim bezweifelte er, dass ihn in dieser Situation etwas beruhigen konnte.
    »Junge«, baute sich sein Großvater vor ihm auf, bevor er es sich anders überlegte, Tanjas Notfallbeutel beiseiteschob und sich an Andreas’ freie Seite setzte. Die Falten in seinem Gesicht schienen tiefer als sonst, als er krankenhausleise sagte: »Sie wird schon werden. Sie ist eine von Winterfeld. Sie ist zäh.«
    Um ein Haar hätte Andreas gelacht. Sie waren zäh? Das war ihm ganz und gar neu. Fest stand, dass seine Mutter ein Gerippe war, das keine Kraft mehr in sich hatte.
    Hatte er den Gedanken laut ausgesprochen? Wahrscheinlich, denn Sascha zuckte zusammen und Gustav ließ die Fingerknöchel knacken. Zum ersten Mal, solange Andreas sich erinnern konnte, schien sein Großvater die Fassung zu verlieren. Nur für den Bruchteil einer Sekunde spiegelten sich Emotionen auf seinen Zügen, bevor er den Kopf abwandte und die Schultern sinken ließ.
    Als er sprach, drangen seine Worte überdeutlich zu Andreas durch. »Ich hätte dem schon lange einen Riegel vorschieben müssen. Und Richard, den hätte sie nicht heiraten sollen. Die beiden waren nie gut füreinander und schon gar nicht für den Konzern. Man muss wirklich alt wie ein Elefant werden, um zu begreifen, was man falsch gemacht hat.«
    Andreas wusste nicht, was sein Großvater ihm sagen wollte. Nur die Erwähnung der Firma stachelte eine Giftdrüse in seinem Inneren an. Immer die verdammte Firma.
    »Und jetzt liegt sie schon wieder im Krankenhaus. Dieses Mal, weil sie vor Erschöpfung über die eigenen Füße gefallen ist.«
    »Sagt wer?«, wagte Sascha zu fragen, dem das Gerede des ihm fremden Mannes sichtlich unangenehm war.
    Andreas hingegen kaute auf den Worten seines Großvaters herum. Irgendetwas daran irritierte ihn.
    »Frau Hartmann, die Haushälterin«, beantwortete Gustav bereitwillig Saschas Frage. Wie sehr ihn der Unfall seiner einzigen Tochter mitnahm, war daran zu erkennen, dass er keine Anstalten machte zu fragen, wer Sascha überhaupt war. Mit monotoner Stimme erklärte er: »Margarete ging es in den letzten Tagen nicht gut. Kreislaufschwierigkeiten. Aber sie wollte nicht zu Hause bleiben – und Richard hat sich mal wieder nicht durchgesetzt. Heute Morgen war sie wohl spät dran. Sie sagte auf der Treppe, dass ihr schwarz vor den Augen wäre. Verlor auf ihren verfluchten Absätzen den Halt und stürzte kopfüber gegen die Wand.«
    Andreas

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