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Nach dir die Sintflut

Nach dir die Sintflut

Titel: Nach dir die Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Kaufman
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zurecht.
    »Hallo, Edward.«
    Zimmer kam um den Tresen herum. Er näherte sich Rebecca, bis er dicht vor ihr stand. Sie gaben einander die Hand und drückten beide fest zu. Zimmer legte seine Linke über den Handschlag. Rebecca hatte niemandem außer ihm das Geheimnis ihrer Sammlung anvertraut, nicht einmal Stewart. Es war ihr damals nicht nur möglich, sondern geradezu zwingend nötig erschienen, Edward die Wahrheit über die Gegenstände in Lagerraum 207 zu beichten. Er hatte ihr Vertrauen nie enttäuscht.
    »Schön, Sie zu sehen«, sagte er.
    »Was ist passiert?«
    »Das wissen wir nicht genau.«
    »Wie schlimm ist es?«
    »Das wissen wir nicht genau«, sagte Zimmer. Er packte ihre Hand noch fester. »Sollen wir einen Blick wagen?«

    Rebecca holte tief Luft und nickte. Zimmer nickte ebenfalls und ließ ihre Hand los. Hinter dem brusthohen Tresen befand sich eine gelbe Tür. Auf diese Tür hatte jemand mithilfe einer Schablone das Wort privat gemalt. Zimmer zog einen Schlüsselring aus seiner vorderen Hosentasche und ging hinter den Tresen. Er entriegelte die gelbe Tür und hielt sie mit dem Arm offen. Er wartete.
    »Ist schon okay«, sagte er.
    Rebecca trat einen halben Schritt vor und hielt dann inne.
    »Bitte, ich bestehe darauf.« Er winkte sie heran.
    Rebecca vergrub die Hände in den Taschen und folgte Zimmer hinter den Tresen. Der Teppich endete hier, und Rebeccas hochhackige Schuhe klapperten auf dem Beton. Zimmer trat hinter ihr ein, zog die gelbe Tür hinter sich zu und schloss sie ab.

    Rebecca war nicht die einzige Person, die bei E. Z. Storage einen Lagerraum aus, wie Zimmer es nannte, »sentimentalen Gründen« angemietet hatte. In Box 357 lagerte David Glass alle Gegenstände ein, die er von seiner Großmutter geerbt hatte. Darunter befanden sich ein handgeschnitzter Schaukelstuhl, in dem er und seine Frau die Großmutter noch hatten sitzen sehen. Der Raum mit der Nummer 111 war an Nancy Dixon vermietet und beherbergte siebzehn Spiegel; jeder einzelne davon spiegelte Szenen ihres Lebens wider, die sich hätten ereignen können, hätte Nancy sich nur anders entschieden. In Raum 438 stand ein Radio, das pausenlos Ratschläge an Steven Moore funkte. Ob die Ratschläge nützlich oder schädlich waren, wusste Steven nicht. Er hatte es nie gewagt, sie zu befolgen.
    In den Augen von Edward Zimmer handelte es sich bei diesen Leuten nicht einmal um seine seltsamsten Kunden. Viel bizarrer fand er jene, die 179,37 Dollar pro Monat zahlten, um
alte Töpfe und Pfannen, billige Möbel und Kisten voller Schuhe unterzustellen, die seit Jahrzehnten nicht mehr in Mode waren. Rebecca Reynolds hingegen war eine seiner Lieblingskundinnen. Nicht nur, dass die Objekte in ihrem Lagerraum von unschätzbarem Wert waren, nein - Rebecca war nie mit der Miete im Rückstand gewesen, kein einziges Mal.

    Der Flur hatte keine Fenster. Unter der Decke hingen Neonröhren, einige davon flackerten oder waren gänzlich kaputt. Noch bevor ihre Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, spürte Rebecca, wie Zimmer sich an ihr vorbeischob. Sie folgte ihm an mehreren gleich großen Lagerboxen vorbei. Alle Türen an allen Räumen sahen gleich aus, rot gestrichen und mit einem silbernen Vorhängeschloss gesichert. Zimmer und Rebecca gingen zur Treppe, stiegen in den zweiten Stock und blieben vor Nummer 207 stehen.
    Zimmer suchte seinen Schlüsselring ab und räusperte sich. »Wir wissen nur Folgendes«, sagte er. »Gestern waren ein oder mehrere Unbefugte im Gebäude. Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen. Sie wissen gar nicht, wie leid es uns tut. Wir wissen nicht, wie und warum diese Leute sich Zutritt verschafft haben. Es gab keine Hinweise auf einen Einbruch. Aber aus irgendeinem Grund wurde ein Waschbecken im dritten Stock verstopft und geflutet. Der Wasserhahn lief die ganze Nacht. Der fragliche Waschraum befindet sich direkt über Nummer 208, wo der größte Schaden entstanden ist. Wir müssen davon ausgehen, dass der Inhalt von Nummer 207 zumindest teilweise betroffen ist.«
    Zimmer ließ die Schlüssel in seine Handfläche zurückfallen und steckte sie ein.
    »Okay«, sagte Rebecca.
    Sie hielt ihren Ersatzschlüssel schon bereit. Sie öffnete das
Vorhängeschloss, dessen Klicken durch den Flur hallte. Sie schob die Tür zu Lagerraum 207 auf, und der Gestank von aufgeweichtem Karton schlug ihr entgegen. Sie schaltete die Neonröhre an der Decke ein. Der Wasserfleck hatte sich von der Deckenmitte bis in die hintere linke Ecke

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