Nach dir die Sintflut
hoch, den er als längliches schwarzes Loch im Sternenhimmel wahrnahm. Er krümmte den Zeigefinger der rechten Hand und klopfte dreimal aufs Deck.
»Das wäre dann aber eine ziemlich große Angst«, sagte er.
»Die einzige andere Erklärung, die mir einfällt, wäre, dass du es als dein Schicksal und deine Berufung betrachtest, mitten in der kanadischen Prärie ein Segelboot zu bauen.«
Wieder antwortete Stewart nicht sofort. Er klopfte seine Taschen ab und merkte, dass er sein Handy im Hotel vergessen hatte. Er setzte sich halb auf, so dass er Margarets Gesicht sehen konnte, dann ließ er sich wieder auf die Planken sinken. »Ich verstehe, was du meinst«, sagte er.
»Welche Erklärung trifft zu?«
»Darf ich ein bisschen freudianisch werden?«
»Ein bisschen wie-dianisch?«
»Könnte es sein, dass du selbst auf Boote fixiert bist?«, fragte Stewart. »So sehr, dass du mich nicht entlässt, obwohl du mich nicht brauchst? Weil dieses Boot auch für dich eine Metapher ist. Weil du selbst ein Boot bist, das hier in der Prärie gestrandet ist.«
»Oh, das gefällt mir.«
»Danke.«
»Aber welche meiner Erklärungen trifft nun zu?«
Stewart stand auf, streifte Schuhe und Stümpfe ab und setzte sich wieder.
»Läuft es nicht auf dasselbe hinaus?«, fragte er. »Wenn ich Rebecca nie kennengelernt und geliebt und verlassen hätte,
wäre ich niemals hier gelandet, um dieses Boot zu bauen. Das Boot würde nicht existieren, und deine Frage genauso wenig. War es mein Schicksal, mich in Rebecca zu verlieben? Und sie anschließend zu verlassen? Sie zu lieben, zu verlassen und an diesen Ort zu kommen, um ein Boot zu bauen? Was ist Schicksal und was nicht? Wo hört es auf, wo fängt es an? Bezeichnet Schicksal einen Umweg oder die ganze Reise?«
»Welche trifft zu?«
»Ich weiß es nicht. Was ist mit dir?«
»Wir sind verschieden, denn ich habe es geschafft, alles hinter mir zu lassen. Ich glaube, ich habe noch viel mehr zurückgelassen als du.«
»Was denn?«, fragte Stewart, und dann schloss er die Augen, weil er wusste, dass nun eine lange Pause kommen würde.
Obwohl sie seit drei Jahren zusammenarbeiteten, wusste Stewart kaum etwas über Margaret. Das wenige, das er wusste, hatte er in seltenen stillen Momenten wie diesem erfahren. Als Margaret endlich sprach, klang ihre Stimme ungewöhnlich weich und brüchig.
»Ich habe meinen Mann und meine Tochter zurückgelassen. An meinen Mann denke ich nicht mehr viel, er kommt mir kaum in den Sinn. Aber an meine Tochter muss ich jeden Tag denken. Sie war damals so jung, dass ich keine Möglichkeit hatte, ihr zu erklären, warum ich gehen musste. Seitdem habe ich sie nie wieder gesehen oder gesprochen. Am Mittwoch war ihr Geburtstag.«
Stewart wusste nicht, was er sagen sollte, und Margaret bedeutete ihm genug, um zu schweigen. Er streckte die Hand aus und berührte sie, ganz sanft, an der Schulter. Margaret beugte sich herüber, und für eine Weile schwiegen sie, so dass nichts zu hören war als das Brummen der Laster auf dem weit entfernten Highway. Schließlich holte Margaret leise Luft und stand auf.
»Eigentlich war ich nicht deswegen gekommen«, sagte sie.
»Soll ich mit dem Gehämmer aufhören?«
»Nein, warum?«
»Weil es fast ein Uhr nachts ist?«
Margaret lachte. Sie streckte die Arme aus und drehte sich im Kreis. »Wen solltest du wecken?«
»Da hast du wohl Recht.«
»Nein, ich bin wegen deines Handys gekommen. Es lag an der Rezeption und hat die ganze Nacht geklingelt. Es treibt mich in den Wahnsinn. Irgendjemand will dich wirklich dringend sprechen«, sagte Margaret. Sie zog das Handy aus der Hosentasche und reichte es ihm.
»Danke.«
Margaret kletterte auf die Leiter, hielt aber in der Mitte inne. »Sei nett, aber sei nicht zu nett«, sagte sie. Stewart war schon dabei, Rebecca anzurufen.
Vierzehn
Die Stewart-Kartons
Rebecca saß seit Stunden im Auto und beobachtete die Insekten, die die Laterne auf dem Parkplatz von E. Z. Self Storage umkreisten. Sie öffnete die Fahrertür gerade so weit, dass die Innenbeleuchtung ansprang und ein Warnton erklang. Sie betrachtete das Handy auf dem Armaturenbrett und wunderte sich sehr, als es zu klingeln anfing. Ohne einen Blick aufs Display zu werfen, nahm sie den Anruf an.
»Stewart?«
»Hey«, sagte Stewart. »Wo bist du? Wie ist es gelaufen?«
Rebecca zog die Fahrertür zu und saß wieder im Dunkeln. »Was würdest du tun, wenn du deine Vergangenheit hinter dir lassen könntest?«
»Warte mal - wie
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