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Nach dir die Sintflut

Nach dir die Sintflut

Titel: Nach dir die Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Kaufman
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viele Gäste anwesend waren oder erwartet wurden. Da Stewart der einzige Angestellte war, fiel diese Aufgabe immer ihm zu. Deswegen hätte Margaret, als sie in der Nacht zu Donnerstag, dem 25. August, um 0:45 Uhr die Treppe herunterkam, weil das Telefon pausenlos klingelte, Stewart an der Rezeption vorfinden müssen. Aber sie entdeckte nur sein Handy, das augenblicklich wieder zu klingeln anfing. Margaret wusste, es wäre zwecklos, das Hotel abzusuchen. Höchstwahrscheinlich hielt Stewart sich fünfhundert Meter vom Haus entfernt auf und hämmerte an seinem Segelboot herum.
    Stewart brachte gerade das letzte Stück Holzpaneel in der Kajüte an. Er war dermaßen auf seine Arbeit konzentriert, dass
er Margaret weder sah noch hörte, als sie über die Leiter an Bord kam. Sie rief: »Stewart!«, aber er schaute immer noch nicht auf. Margaret rückte sich das Halstuch zurecht und wartete darauf, dass Stewart mit dem Hammer ausholte, bevor sie es noch einmal versuchte.
    »Stewart!«
    Erschreckt fuhr Stewart herum, sah Margaret und ließ den Hammer sinken.
    »Du bist wirklich entschlossen, das Ding fertigzubauen«, sagte sie.
    »Ich habe es fast geschafft! Vier oder fünf Tage noch, dann bin ich fertig.«
    »Es sei denn, wir bekommen Gäste?«
    »Na ja …«
    »Ist schon gut. Wahrscheinlich kommt eh niemand.« Margaret ging auf dem Deck in die Hocke, dann legte sie sich auf den Rücken.
    »Soll ich die Lichter ausschalten?«, fragte Stewart.
    »Wäre das möglich?«
    »Klar.«
    Am Mast hingen vier Scheinwerfer, die über ein langes orangefarbenes Verlängerungskabel mit dem Hotel verbunden waren. Sobald Stewart die Scheinwerfer ausgeschaltet hatte, füllte sich der Himmel mit Sternen. Stewart stieg vorsichtig über Werkzeuge und Holzreste, um sich neben Margaret zu legen. Ihre Köpfe berührten sich fast und ihre Körper bildeten einen Fünfundvierzig-Grad-Winkel, während sie dalagen und in den Himmel starrten.

    Als Stewart Rebecca vor drei Jahren und drei Monaten verlassen hatte, dachte er nicht, dass es für immer sein würde. Er hatte sie schon öfter verlassen, zu drei verschiedenen Gelegenheiten,
und nach einer kurzen Auszeit war er immer zu ihr zurückgekehrt. Aber kurz nachdem er sie zum letzten Mal verlassen hatte, war Stewart etwas Seltsames passiert: Während eines Grillabends war er Zeuge einer göttlichen Offenbarung geworden.
    Das Haus, in dem er damals wohnte, gehörte einem Paar, das eine dermaßen schmerzhafte Trennung hinter sich hatte, dass keiner der beiden es ertrug, weiter in dem Haus zu wohnen. Als Stewart einzog, erschreckten ihn die Anzeichen des überstürzten Aufbruchs; das Bett war ungemacht, die Kleidung in der Waschmaschine war mit Stockflecken überzogen, und auf dem Küchentisch stand ein halbvoller, verschimmelter Kaffeebecher. Während der folgenden zwei Tage hatte Stewart das befremdliche Gefühl, sich an Bord eines ohne Vorwarnung gesunkenen Schiffs zu befinden. Auf jener Art von Wrack, das nach vielen Jahren von Tauchern entdeckt wird - mit gesetzten Segeln, Skeletten in den Kojen und einem gut versteckten Schatz im Rumpf.
    Kurz nach acht Uhr abends warf Stewart einen Blick ins Eisfach, weil ihm zu kochen weniger anstrengend vorkam, als sich am Telefon mit einem Lieferservice zu unterhalten. Er war ziemlich angetrunken, weil er früher an dem Tag die Hausbar entdeckt hatte. Im Eisfach lag ein Stapel fest zusammengefrorener Hamburger, die er in den Garten trug. Problematisch wurde es erst, als Stewart entdeckte, dass der Grill nicht mit Gas, sondern mit Holzkohle betrieben wurde. Stewart erinnerte sich daran, wie sein Vater früher gegrillt hatte, und machte sich auf die Suche nach Brennspiritus. Er wurde fündig und bespritzte die Kohlen mit einer beträchtlichen Menge davon.
    Stewart ging wieder ins Haus und kam mit einer Schachtel Streichhölzer zurück. Er öffnete die Schachtel, ohne zu merken, dass er sie falsch herum hielt. Die meisten Zündhölzer
fielen durchs Grillgitter in die Kohlen. Stewart strich eines der wenigen verbliebenen an und ließ es in den Grill fallen. Die plötzliche Explosion zwang ihn, die Augen zuzukneifen. Er tastete nach seinen Augenbrauen, um sich zu vergewissern, dass sie noch da waren. Als er die Augen wieder öffnete, sah Stewart eine meterhohe Stichflamme, die sich aus dem Grill erhob.
    Die Flamme veränderte ihre Größe nicht. Sie brannte, scheinbar ohne von etwas zu zehren. In ihrem Zentrum flackerte ein kleines blaues Licht, das sich, während es

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