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Nach dir die Sintflut

Nach dir die Sintflut

Titel: Nach dir die Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Kaufman
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solltest dich ausziehen.«
    Lewis tat, was Lisa vorgeschlagen hatte. Er drehte sich so, dass seine Zehen ihre Fußgelenke berührten und schlief mit dem Gedanken ein, alles war - oder würde - wieder gut.

    Lewis sprang die Betontreppe hinunter. Er zwängte sich durch eine Hochzeitsgesellschaft, die gerade aus einer Limousine ausstieg, und lief in westlicher Richtung auf dem Broadway. Er warf einen Blick über die Schulter und sah, dass Lisa eine Brautjungfer umgerannt und die Verfolgung aufgenommen hatte. An der Smith Street wurde das Seitenstechen unerträglich, aber er
lief weiter. An der Donald Street bekam er das Gefühl, seine Lunge hätte sich verengt, was er ignorierte. Auf der Höhe der Hargrave Street schaute er noch einmal zurück. Lisa sah verärgert aus. Auf der Höhe der Edmonton Street schäumte sie vor Wut und machte sich daran, zu ihm aufzuschließen.
    Lewis rannte gerade die Abkürzung über den Rasen vor dem Manitoba Legislature Building, als Lisa ihn von hinten ansprang und zu Boden riss. Sein Oberkörper schlug mit beträchtlicher Wucht auf den Rasen auf, wobei die Schulternähte seiner Jacke platzten. Sein Gesicht rutschte durchs Gras, das wie frisch gemäht roch. Mit erstaunlicher Mühelosigkeit rollte Lisa Lewis auf den Rücken und drückte seine Schultern mit ihren Knien zu Boden. Lewis wand sich, konnte sich aber nicht befreien. Lisa beugte sich vor, bis ihr Gesicht dicht über seinem schwebte.
    »Deine Frau ist tot, und das soll mir was ausmachen? Ich kannte sie nicht einmal!«, schrie sie, wobei ihre Spucke in Lewis’ Augen und Nasenlöchern landete. »Ich habe deine Frau nicht auf dem Gewissen. Ich sorge nicht dafür, dass bei euch nichts klappt. Ich habe es satt, dass man immer mir die Schuld zuschiebt!«
    Lewis sah, wie ihr Mund auf- und zuklappte, und er schloss die Augen, um sich vor dem Sprühregen zu schützen. Als ihre Knie seine Schultern immer tiefer in den Rasen drückten, öffnete er die Augen wieder. Ihr Gesicht war jetzt so nah, dass er nicht mehr klar sehen konnte.
    »Aber wenigstens renne ich nicht durch die Gegend und versuche, in allem einen Anfang, eine Mitte und ein Ende zu sehen«, sagte sie und ließ seinen Kragen los. Sie atmete aus und beugte sich wieder vor, bis ihre Nasen sich berührten. »Ist euch eigentlich nie aufgefallen, welch riesigen Denkfehler ihr begeht? Nein? Ich verrate dir was - der Unterschied zwischen
einem glücklichen und einem traurigen Ende ist ganz allein eine Frage des Standpunkts.«
    Atemlos ließ sie sich von Lewis herunterrollen. Sie zog sich das Shirt herunter und blieb keuchend auf dem Rücken liegen. Lewis hatte natürlich nichts gehört und fragte sich, was sie wohl gesagt hatte.
    »Lisa?«, sagte er.
    Aber Lisa beachtete ihn nicht. Stattdessen stand sie auf und ging weg. Sie schaute sich nicht noch einmal um, und Lewis machte eine seltsame Beobachtung: Obwohl Lisa immer kleiner wurde, galt das für die Objekte ringsum nicht. Es sah aus, als laufe sie auf der Stelle und schrumpfe dabei.
    »Lisa!«, schrie er.
    Aber Lisa reagierte nicht. Sie wurde kleiner und kleiner, und mit ihr verschwand Lewis’ Fähigkeit zu sehen. Zuerst die Grundfarben, dann die Mischfarben, schließlich alle Grautöne und dann das Weiß, so dass nur noch Schwarz übrig blieb. Lewis saß auf dem Rasen vor dem Manitoba Legislative Building und blinzelte und rieb sich die Augen, aber es blieb dunkel.

9
    Mit der Anmut, die das Wasser gern hätte: Aby (dritter Teil)

Neunundzwanzig
    Thrum
    Ihren ersten Tag nach Ankunft am Prairie Embassy Hotel verbrachte Aberystwyth in einem Siebenmeterradius rund um den weißen Honda Civic. Ihre Mutter zeigte sich kein zweites Mal. Um sich die Minuten zu vertreiben, hörte Aby Musik aus dem Autoradio, gewöhnte ihre Beine an die Schwerkraft und las jene Stellen in der aquatischen Bibel, die ihr bislang unbekannt waren. Sie musste feststellen, dass die Musik der Si∂ri unharmonisch klang und ihre Beine den Anforderungen der Schwerkraft nicht gewachsen waren; und was die aquatische Bibel betraf, so hatte Aby sich die besten Passagen definitiv nicht bis zuletzt aufbewahrt. Obwohl sie sich mitten im wohl dramatischsten Moment ihres gesamten Lebens befand, war Aby furchtbar langweilig.
    Nachdem sie mühsam die Apfelreste von Windschutzscheibe und Motorhaube des weißen Honda Civic gekratzt hatte, verbrachte Aby die Nacht auf dem Auto, weil es drinnen zum Schlafen zu heiß war. Sich auf der Haube auszustrecken und den Oberkörper auf

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