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Nach Hause schwimmen

Titel: Nach Hause schwimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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presbyterianischen Holzkirche in Cedar Hollow. Salvador und Sofia waren die Trauzeugen, eine alte Dame spielte den mit kaum wahrnehmbar falschen Tönen durchwobenen Hochzeitsmarsch auf der Orgel, und ein kleines Mädchen, das im Schatten der Kirche einsam Gummitwist getanzt hatte und dem Lennard einen Dollar gab, verstreute die mitgebrachten Blumen, als das Brautpaar zu seinem Auto ging, einem dunkelbraunen, Zweckdienlichkeit ausstrahlenden Volvo, den Lennard gegen den Buick eingetauscht hatte.
    Sofia hatte einen Fotoapparat, mit dem sie den Tag festhielt, und wenn sie durch den Sucher sah, bemerkte sie in Lennards Augen eine Spur Wehmut, die kein Kuss seiner Frau und kein Bitte lächeln ganz zum Verschwinden bringen konnte. Lennards Eltern waren in Schweden, und an diesem Tag vermisste er sie schrecklich. Drei Monate vor der Hochzeit hatte er sie angerufen, um sie einzuladen, aber die beiden ließen sich weder dazu bewegen, zu kommen, noch ihrem Sohn zu vergeben.
    Maureen hingegen strahlte auf jedem Bild reine Glückseligkeit aus. Sie lachte und scherzte und warf der Kamera Kusshände zu, sie umarmte den verdutzten Pfarrer und schwang das Mädchen durch die Luft, bis es kreischte. Sie hatte nie heiraten wollen, und wenn doch, dannfrühestens mit dreißig. Jetzt war sie fünfundzwanzig und konnte sich nichts anderes mehr vorstellen, als mit Lennard den Rest ihres Lebens zu verbringen. Gedanken an die Ehe ihrer Eltern wischte sie weg in der Gewissheit, dass sie und ihr Mann es anders machen würden, besser. Einmal im Monat rief sie zu Hause an und hielt ihre Mutter über ihr Leben auf dem laufenden. Obwohl sie mittlerweile seit mehr als zwei Jahren in Philadelphia wohnte, erzählte sie Orla, sie sei noch immer auf Reisen, auf der Suche nach dem richtigen Ort, dem richtigen Job und deshalb telefonisch nicht erreichbar.
    Sie hasste es, ihre Mutter zu belügen, aber nur so schien es ihr vermeidbar, dass diese plötzlich bei ihr auftauchte, im Schlepptau Eamon, den zu verlassen Orla sich in einer Mischung aus Loyalität, schlechtem Gewissen und Fatalismus nach wie vor weigerte. So unbegreiflich für Maureen die Aufopferung ihrer Mutter war, so wenig verstand Orla, weshalb ihre Tochter wie eine heimatlose Seele durch Amerika flirrte. Alle paar Monate war Orla fest entschlossen herüberzukommen, aber dann erfand Maureen eilig eine neue Reise, eine neue Stelle, die ihr angeboten wurde, eine neue Wohnung, in die sie ziehen musste.
    Als sie Lennard kennenlernte, war Maureen versucht, ihrer Mutter von dem Mann, den sie liebte, zu erzählen, aber als sie kurz davor war, verkaufte Eamon das Haus in Cork und zog mit seiner Frau in den Nordwesten, zurück in die Gegend, wo er aufgewachsen war, und von diesem Zeitpunkt an wurde Orla immer schweigsamer und schien die Absicht, ihre Tochter zu besuchen, bald vergessen zu haben. Maureen spürte, wie ihre Mutter unter dem Umzug litt, und als sie Lennard davon erzählte, schlug der vor, Orla solle eine Weile bei ihnen wohnen. Aber Maureen wollte warten, bis sie eine neue, größere Wohnung oder ein kleines Haus fanden oder sie schwanger war. Sie hatte Lennard nie vom Reichtum ihrer Eltern erzählt, nie erwähnt, wie einfach es wäre, sich Geld schenken zu lassen oder zu leihen, und sie tat es auch jetzt nicht. Orla schien noch immer darauf zu hoffen, dass ihr Kind in Amerika scheitern und reumütig nach Hause kommen würde. Aber Maureen hatte ihren Stolz. Sie wollte es ohne die finanzielle Hilfe ihrer Eltern schaffen, wollte ihrer Mutter ein ordentliches Gästezimmer bieten, einen erfolgreichen Mann präsentieren und ein wundervolles Enkelkind in die Arme legen.
     
    Die Flitterwochen, die aus Geldmangel auf ein Wochenende gekürzt wurden, verbrachte das Paar in einem Familienhotel in Norristown, dessen mondänste Attraktion ein allabendlich in farbiges Licht getauchter Springbrunnen in der Empfangshalle war. Auf einem Schild wurden die Gäste darauf hingewiesen, dass das Werfen von Münzen in das Brunnenbecken zur Erfüllung eines Wunsches führen, die Hotelleitung jedoch nicht für unerfüllte Wünsche belangt werden könne. Lennard und Maureen ließen je einen Cent ins Regenbogenwasser fallen, und beide glaubten zu wissen, was der andere sich wünschte.
     
    Über ein Jahr dauerte es, bis Lennard sein Cello baute, das erste, bei dem Salvador ihm nicht half, ihn nicht korrigierte und nicht einmal eingriff, wenn er einen Fehler machte. Aber Lennard machte keinen Fehler, und wenn doch,

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