Nach Hause schwimmen
Name des Empfängers, der die Bestellung Moriarty gegenüber natürlich bestritt. Seither verliefen die Nächte ruhig, was Cormacks Natur entgegenkam. Wenn er nur hätte lesen dürfen auf seinem Turm, oder wenigstens Radio hören. Aber das erlaubte der Direktor nicht, und weil Cormack ein guter Angestellter war, hielt er sich daran.
Hasen kreuzten im schwachen Mondschein die Felder, gestern stand ein Reh auf der Straße, die zum Tor führte. In einem der drei anderen Türme hockte O’Carroll und rauchte. Cormack mochte seinen Kollegen nicht, der ihn Mack nannte und bestahl, Bonbons aus den Taschen klaute und dachte, es bleibe unbemerkt. Im vierten Turm schliefen die Tauben, eine Vorstellung, die Cormack tröstlich erschien. Im Sommer, wenn er die Fenster hochklappte, konnte er ihr Gurren hören. Ein Motorrad lärmte im Nichts, tauchte als weißes, trichterförmiges Licht auf, drehte an der Kreuzung ab und verschwand schaukelnd in Richtung Sligo. Vielleicht jemand mit Schnaps oder Zigaretten auf dem Gepäckträger, der es sich im letzten Moment anders überlegt hat, dachte Cormack.
Als er sich umdrehte, fiel sein Blick auf die Fenster der Bibliothek. Er hatte schon einmal ein Feuer gesehen, drüben in einem der Schuppen, in denen die Werkstätten untergebracht waren. Zwei Jahre war das her. Seine Aufmerksamkeit hatte damals einen riesigen Sachschaden verhindert, möglicherweise eine Katastrophe. Die Flammen des Feuers in der Bibliothek erschienen ihm gelb und rein, nicht wie das schmutzige Lodern der Werkstatt, das Qualm ausgestoßen hatte wie ein Fabrikschlot. Cormack öffnete die Luke im Boden und kletterte die Leiter hinunter, rannte ins Hauptgebäude und löste den Feueralarm aus.
Als Wilbur, vom eigenen Husten geweckt, die Augen öffnete, nahm er gebrochene Dunkelheit wahr. Kein Geräusch drang an sein Ohr, nur seine Lungen pfiffen leise. Sein großer Zeh tat ihm weh, der rechte. An der Decke verlief ein Kabel. Das Metall des Bettgestells war warm, nicht kalt wie das im Schlafraum. Niemand keuchte neben ihm, keiner knurrte und winselte im unruhigen Schlummer. Er drehte den Kopf, erst zur einen, dann zur anderen Seite. Aus dem Donner war ein fahlesPochen geworden, etwas in seinem Schädel rutschte und stieß irgendwo dagegen, wenn er sich bewegte. Er blinzelte in die Helligkeit. Im Himmel war er nicht.
Von Müdigkeit ergriffen, schlief er wieder ein. Im Traum hörte er Stimmen. Er schreckte auf, dämmerte vor sich hin. Dann lag er da und lauschte Sätzen wie Regen, der auf ein Dach fällt. Worte plätscherten über seinen Halbschlaf, zerrannen unverständlich. Danach hüllte ihn wieder Dunkelheit ein, umgab ihn Stille.
Später erwachte er mit Kopfschmerzen, wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte. Mondlicht schwamm durch die Fenster, durchwirkte das Dunkel mit einem Schimmer. Wilbur hustete eine letzte Wolke Bücherasche, dann verstummte das Pfeifen in seinen Lungen. Sein Zeh war versengt und mit einer fettigen Salbe bestrichen. Ein Wasserkrug und ein Glas standen auf dem Nachttisch, daneben, in einem weißen Gefäß, das wie eine Seifenschale aussah, lag eine einzelne Tablette. Wilbur setzte sich auf, ließ die Beine über den Bettrand baumeln und sah sich um. Neben seinem standen noch drei weitere Betten im Raum, aber nur seins war mit weißen Laken bezogen. An einer Wand hing ein Kalender. Die Uhr war kaputt, der Sekundenzeiger rührte sich nicht. Auf der Kommode neben der Tür standen eine leere Vase, eine braune Flasche und eine nierenförmige Schale aus Chromstahl, in der ein Wattebausch lag. Wilbur wusste, dass er sich auf der Krankenstation befand, obwohl er sie nie von innen gesehen hatte. Er stand auf und ging barfuß zum Fenster, hielt das Gesicht nahe ans Glas und sah hinaus. Einer der Wachmänner bewegte sich gemächlich über den Flur vor der Bibliothek, der schmalen Silhouette nach zu urteilen war es O’Carroll. Sterne standen im Himmel.
Wilbur ging zur Tür und drückte die Klinke, obwohl er wusste, dass man ihn eingeschlossen hatte. Er fragte sich, wie viel von der Bibliothek abgebrannt war. Als er Schritte auf dem Flur hörte, legte er sich zurück ins Bett und stellte sich schlafend. Noch bevor die Tür aufgesperrt wurde, erkannte er die Stimmen von Foley und Miss Rodnick. Das Neonlicht, das sich zitternd und begleitet von knisterndem Summen über ihm ausbreitete, drang durch seine geschlossenen Lider.
»Liegt da, als könnt er kein Wässerchen nicht trüben«, sagte
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