Nach Hause schwimmen
nichts mit den Fotos an den Wänden gemein. Alssie bis auf die schwarzen Strümpfe und die Stöckelschuhe nackt war, riss sie die Tagesdecke vom Bett und legte sich hin. Mir war die Situation peinlich, und ich sah den Hund an, der seinerseits nicht die Augen von mir nahm. Sie wollte wissen, ob ich vorhätte, die ganze Zeit nur dazustehen. Ich zuckte die Schultern und zwang mich, sie anzusehen. Draußen heulte eine Sirene, im Innenhof brüllten sich Männer an. Sie sagte, ich sei wohl ein Spanner, und ich nickte. Sie knetete mechanisch ihre Brüste und forderte mich auf, endlich die Hose auszuziehen. Sie zog die Beine an und spreizte sie, und ihr Stöhnen klang, als plage sie Rheuma. Ich stammelte eine Entschuldigung und rannte aus der Wohnung und die Treppen hinunter. Die Männer grölten und meinten, ich sei ja von der ganz schnellen Truppe. Auf der Straße konnte ich endlich den Rotwein auskotzen, mit dem ich mir Mut angetrunken hatte. Eine alte Frau in einer orangefarbenen Daunenjacke beschimpfte mich als Taugenichts, und ich gab ihr recht.
Daran denke ich, zwei Stunden nachdem meine Hand auf Aimees Brust lag, zwei Jahre nach meinem kläglichen Scheitern. Die erste nackte Brust in meinem Leben, die ich berührt habe und die einer Frau gehört, die ich mochte, die ich gemocht hätte, wenn sie mich nicht in dieses Gartenhaus gezogen hätte. Jetzt hasse ich sie dafür, dass sie diesen Moment mit Spinnweben und Vogeldreck ausgeschmückt hat, mit Staub und blinden Scheiben. Dafür, dass sie mich überrumpelt hat, dass ich zum Trottel wurde, zum erstarrten Vollidioten, gelähmt vor Verlangen und Entsetzen. Sie ist nicht besser als die Doggenfrau, die mich mit einer versifften Tagesdecke und erschöpftem Ächzen vertrieben hatte.
Wenn Sex so flüchtig und in solchen Kulissen stattfindet, werde ich auch die nächsten zwanzig Jahre der unerfahrene Wichser bleiben, der ich bin. Dann verzichte ich auf die körperlichen Freuden und therapeutischen Effekte, die der Beischlaf mit sich bringt und die man mir in Fernsehsendungen und Illustrierten unablässig verspricht. Dann scheiße ich auf Wärme und Berührungen, Herzgleichschlag und Seelenverschmelzung, auf Liebe, Geborgenheit, Glück und Ewigkeit und den ganzen Müll.
Ich liege auf meinem Bett, das Kissen über dem Gesicht. Melvin ist taktvoll genug, mich in Ruhe zu lassen. Wenn er eine Dose Malzbieröffnet, klingt das Zischen wie das Niesen eines kleinen Tieres. Malzbier hat keinen Alkohol, der ist hier drin so verboten wie trübe Gedanken und Rasierklingen. Für einen Drink würde ich alles geben, mein Leben, meinen Koffer, meine Erinnerung.
Mortal Thoughts
1991
Nach Orlas Tod lebte Wilbur bei Colm. Wenige Tage nach der Beerdigung war Eamon von zwei Sanitätern aus dem Haus geholt worden. Er hatte sich nicht mehr um sich kümmern können, geschweige denn um seinen Enkel. Nachdem Orla nicht mehr für ihn kochte, hatte er einfach aufgehört zu essen und blieb tagelang im Bett, die Hände und Knie steif von der Gicht. Man brachte ihn in ein staatliches Pflegeheim in Milford, wo er endgültig aus der Welt dämmerte.
Colm kümmerte sich um Wilbur, so gut es ging. Als die Sommerferien vorbei waren, weckte er ihn viel zu früh. Wie an jedem der vergangenen Morgen hatte er Porridge gekocht und Tee, und Wilbur aß ein paar Löffel des zähen Breis, um Colm nicht zu enttäuschen. Dann fuhr Colm den Jungen mit dem Traktor zur Bushaltestelle. Wilbur wollte nicht zur Schule, wollte in seinem neuen Zuhause bleiben, im Stall bei den Kühen sitzen oder in seinem Zimmer und die Tage vergehen lassen. Aber er wusste, dass das nicht möglich war, und bestieg den Bus wie ein Astronaut die Rakete, die ihn Milliarden Lichtjahre von der Heimat forttrug.
Auf dem Schulhof starrten ihn alle an. Er war der Junge, dessen Großmutter auf so schreckliche Weise umgekommen war, und er war der Freund von Conor Lynch, dem Verrückten, der auf seinen Vater geschossen hatte. Erin Muldoon löste sich aus der Herde der Tuschelnden und fragte ihn, wie es ihm gehe. Aber Wilbur schwieg und war froh, als die Glocke läutete. Miss Ferguson gab sich Mühe, ihn wie die anderenKinder zu behandeln, aber während des gesamten Unterrichts rief sie ihn nie zur Tafel, ließ ihn keine Fragen beantworten und vermied es sogar, ihn anzusehen.
Wilbur war das recht. Seit Orla tot war, sprach er kaum noch, höchstens ein paar Worte mit Colm. Es gab nichts mehr zu reden, fand er. Er war elf Jahre alt, und das Leben schien
Weitere Kostenlose Bücher