Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nach Norden, Strolch

Nach Norden, Strolch

Titel: Nach Norden, Strolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
alte Golfmütze mit großen roten Karos, und er hatte den Eindruck, sie schon irgendwo gesehen zu haben. Aber wo denn? Allerdings mußte es Tausende solcher Mützen geben. Er hob sie mit einem Stock. auf, trug sie zum Aschenhaufen und stopfte sie in die Mitte der Glut.
    Im Wohnzimmer schlief Oktober, das offene Buch auf dem Schoß. Er setzte sich ihr gegenüber.
    Sie war sehr, sehr hübsch. Die langen Wimpern waren dunkler als ihre Haare, die wie rotes Gold leuchteten. Er seufzte tief. Vielleicht weckte das sie, denn sie öffnete die Augen.
    »Schlief ich? Wie lange bist du denn schon da …? Hab’ ich geschnarcht? Wie scheußlich von dir!«
    Er schüttelte ernst den Kopf. »Keine Spur von Schnarchen. Ich hätte dir mit Leichtigkeit einen Kuß rauben können - aber ich habe es sein lassen.«
    »Warum hast du es nicht getan?« fragte sie und hob das Buch auf, das zu Boden geglitten war.
    »Ich schreibe es in der Hauptsache meinem angeborenen Zartgefühl zu«, sagte er, »eingedenk der traurigen Warnung von Mr. Sam Water.«
    »Daß wir nicht verheiratet sind?« Sie gähnte und streckte den Arm aus. »Ach was, ich würde mich um das nicht kümmern, was Sam sagt. Im Postkurier steht nichts drin.«
    »Daran wird schon was Wahres sein … Oktober, quo vadis?« »Nach Ogdensburg«, sagte sie faul, »dann gehe ich schwimmen im St. Lawrence und dann nach Kanada!«
    Er lachte leise. »Kennst du die Breite des Flusses bei Ogdensburg? Oktober, ich schulde dir eine Abbitte.«
    »Weswegen?«
    »Ich hielt dich einfach für leichtsinnig - wenn ich mich nur an alle Einzelheiten dieser verfluchten Trauung erinnern könnte! Ich dachte mir - bitte, bleib ruhig! - das war reine Hysterie. Eine Art Wahnsinn, die dich überkam und dich dazu brachte, zu sagen: ›Ja‹, oder was man da zu sagen hat
    »Du hast es gesagt«, entgegnete sie herausfordernd.
    »Aber ich war nicht ganz bei mir.«
    »Blau - betrunken!« spottete sie. »Natürlich hast du gesagt: ›Ja‹. Und ich war gar nicht wahnsinnig. Ich war mir völlig im klaren, was es bedeutete oder bedeuten könnte, einen Strolch zu heiraten. Jawohl, das wußte ich - wenn du jetzt lächelst, werde ich etwas tun, was sich für eine Frau nicht schickt! Das war ja die Hauptklage Mr. Elmers, daß ich Dinge tat, die sich für eine Frau nicht gehören, daß ich rauchte und mich vom Kopf bis zu den Füßen im Stall abwusch - die haben nicht einmal eine Dusche im Birkenhof. Aber ich war durchaus nicht wahnsinnig; nicht, nachdem du gesagt hattest: ›Verzeihung‹. - Ohne das hätte ich dich bestimmt nicht geheiratet. Aber du hast ›Verzeihung‹ gesagt, und ich wußte, es war dein Ernst, und ich habe überhaupt keine Angst gehabt - nur ein einziges Mal. Einmal - hatte ich Angst, als ich aufwachte, und war wütend auf mich selber, weil … Na, ich weiß nicht warum. Was denkst du jetzt von mir?«
    Schwarz auf weiß muß eine solche Frage reichlich kokett klingen, doch sah er nichts darin als das, was sie wirklich fragen wollte. »Ich gebe mir Mühe, dir das mitzuteilen. Du bist einzigartig.« »Das sind ja alle Frauen«, erwiderte sie.
    »Natürlich - unterbrich mich nicht. Du wirfst alle meine vernünftigen Ansichten über den Haufen. Von deiner Einzigartigkeit weiß ich aus Erfahrung. Möglich, daß du einem Typus angehörst, von dem es viele gibt, aber ich bin noch keinem Exemplar davon begegnet. Ich hielt dich zuerst für eine Art heilige Johanna. Aber das bist du gar nicht. Du hast keine Erscheinungen - armes, altes ›Kahlköpfchen‹ - du bist vollständig bei Verstand. Die Lady Godiva ist mehr deine Art: eine Lady Godiva mit kurzem Haar. Du hättest dich nie auf den Kompromiß einlassen können, langes Haar zu deiner Bekleidung zu verwenden.«
    Sie nickte. »Das stimmt schon. Ich hätte das Gefühl gehabt, daß es nicht ganz fair wäre - und was weiter?«
    »Ich verstehe dich noch nicht ganz, du bist mir noch ein bißchen fremd. Auf der einen Seite bist du sehr temperamentvoll … Ich habe eben sorglos davon gesprochen, dich im Schlaf zu küssen, aber in Wahrheit hätte ich nie daran gedacht. Ich möchte schon lieber mit einem Hammer einen Granatzünder einschlagen! Entweder würdest du explodieren - oder nicht. Wenn nicht, wäre ich enttäuscht, wenn ja, wäre ich besinnungslos. Wie alt bist du?«
    »Einundzwanzig. Wenn ich nicht einundzwanzig geworden wäre, gestern oder vorgestern, oder wann es war, dann wärest du ruhig deines Weges gegangen, und ich hätte das Buch, das ich gerade

Weitere Kostenlose Bücher