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Nach Norden, Strolch

Nach Norden, Strolch

Titel: Nach Norden, Strolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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die Lippen gesetzt hatte, wischte sich sorgfältig den Schnurrbart mit einem seidenen Taschentuch und zog eine Zigarre aus der Tasche.
    »Ich und mein Freund sind hier nur abgestiegen, um uns umzusehen«, sagte er. »Wir gedenken, mit dem Nachtzug nach Philadelphia weiterzufahren. Stimmt, nicht wahr, Lenny?« Er blickte sich nach ihm um.
    »Stimmt«, sagte Lenny.
    Der strohblonde Mann zündete sich eine neue Zigarre an.
    »Der Chef sagte, ich sollte hier ‘n kleinen Besuch machen«, meinte er entschuldigend. »Dachte, ihr wüßtet vielleicht nicht, daß man euch hat ankommen sehen. Mieses Nest, dieses Littleberg. Ihr würdet hier unweigerlich verhungern. Ogdensburg ist nicht viel besser. Die Polente dort ist erst vor kurzem so ‘n bißchen reingefallen und ist höllisch wütend auf Leute, die meinen, man könne sie zum Narren halten. Unser Chef hat mit ihnen heute früh telefoniert, und sie scheinen zu glauben, die Luft in Ogdensburg würde euch schlecht bekommen.«
    »Philadelphia«, sagte ›Rotbart‹, »und wir haben unsere Reise nur ganz kurz unterbrochen. Wir kommen aus New York.«
    »Fein«, sagte der Strohblonde, der von Natur und aus Erfahrung Skeptiker war. »Hat einer von euch vielleicht ’ne Kanone bei sich?«
    ›Rotbart‹ breitete einladend die Arme aus. Der Kriminalbeamte durchsuchte schnell erst den einen und dann den anderen. Keine Waffe kam zum Vorschein.
    »Das wäre in Ordnung«, sagte der Beamte heiter. »Ich sehe euch also gegen neun am Bahnhof?«
    »Unbedingt«, sagte ›Rotbart‹ ebenso herzlich.
    Der Beamte ging hinunter und durch die Halle, um zu telefonieren. Der Engländer war nicht mehr da.
    »Es gibt Leute, die gleich die ganze Welt haben wollen«, klagte der Geschäftsführer. »Seine Hoheit wünschen eine neue Fernstraße.«
    »Engländer?«
    »Durch und durch«, brummte der Geschäftsführer.
    Eine Stunde später kamen ›Rotbart‹ und sein Freund in die Halle hinunter und wurden stille Zuschauer einer Zeremonie.
    Eine Anzahl übermütiger junger Männer aus Littleberg hatten einen Kreis um einen verschüchterten Jüngling gebildet und sangen im Chor ein unanständiges Lied, in dem neben Anspielungen auf die Hochzeitsnacht von der Geizigkeit der Waterschen Familie im allgemeinen und der Geizigkeit Sam Waters im besonderen die Rede war.
    »Aber wirklich, hört mal, das ist zuviel!« rief der Betroffene.
    Der Kreis verteilte sich in kleine Gruppen, jede der Gruppen für sich ziemlich lärmend.
    »Es stimmt aber, Sam! Bist wirklich ein geiziger Kerl!«
    »Aber, wirklich … Kommt mit mir in meine Wohnung …!«
    Die Menge wogte schwankend zur Tür. Mr. Bennett, Besitzer vom ›Berghaus‹ rieb sich die Hände im Hintergrund und sah zum erstenmal, seit diese Gemeinde in sein Haus eingedrungen war, wieder glücklich aus.
    Die Wohnung von Sam Water lag über der Garage seines geduldigen Vaters. Hier gab Sam von Zeit zu Zeit Festlichkeiten. Es gab geheime Schränke, worin das scharfe Zeug aufbewahrt wurde, und eine eigenartige Sammlung von Gläsern.
    Gegen Schluß des Nachmittags machte Sam einen Vorschlag.
    »Zuhören, Kerls … hab’ ‘ne Idee. Ein alter ›Penner‹ hockt droben im Wald … netter Kerl … Mann von Welt. Wollen hingehen, ihm was zu saufen geben. Wetten, daß er so was seit Jahren nicht geschmeckt hat … Wir wollen alle Brüder sein, die herrliche Vereinigung von Männern, die die große freie Natur lieben … Wir wollen …«

3
    Mrs. Elmer ging wiederholt ins Schlafzimmer. Den ganzen Tag hatte sie vergeblich versucht, in Oktober das Bewußtsein ihrer Verantwortung zu wecken.
    »Du würdest einem Stein das Herz brechen«, sagte Mrs. Elmer bitter.
    Sie war eine erschreckend dünne Frau mit einem Gesicht, das aus lauter Ecken bestand, und ihre Art war unveränderlich mürrisch.
    »Wie kann ich denn für dich packen, Oktober? Ich weiß ja gar nicht, was du mitnehmen willst.«
    Oktober legte ihr Buch nieder und sah die dünne Frau nachdenklich an.
    »Irgend etwas. Was trägt denn überhaupt eine Braut?«
    Es war das erstemal, daß sie auch nur einen Funken Interesse zeigte.
    »Dein Blaues, das Seidene. Mr. Elmer war der Meinung, daß es, da die Hochzeit in aller Stille stattfinden soll, eine Geldverschwendung gewesen wäre, etwas Neues zu kaufen …«
    »Großer Gott«, stöhnte Oktober, »wer will denn etwas Neues? Wie es Ihnen paßt, Mr. Elmer. Nur nicht zuviel mitnehmen, ich möchte nicht die Mühe des Auspackens haben.«
    »Kannst du denn gar nichts tun?« fragte

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