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Nach Santiago - wohin sonst

Nach Santiago - wohin sonst

Titel: Nach Santiago - wohin sonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Lindenthal
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junge Mann, der das Refugio de Peregrinos (Pilgerherberge) betreut, stellt mir nach Vorweisen meines Personalausweises einen Pilgerpaß aus, der bis Santiago sozusagen mein Reisedokument sein wird, das mir die Übernachtung in den Pilgerherbergen und manchmal in Gasthäusern ein verbilligtes „Pilgermenü“ ermöglichen wird.
    Dieses, mein erstes Refugio, ist alles andere als ein Kleinod: kein warmes Wasser, kein Klopapier, kein Aufenthaltsraum, keine Kochgelegenheit. Eigentlich nur Bett, Klo und kalte Dusche. Aber ich bin ja nicht verwöhnt, außerdem habe ich meinen kleinen Campingkocher mit, auf dem ich mir meine gewohnte Pilgersuppe koche. Der Herbergsvater verkauft mir noch Brot und Wein, Ajiz bekommt den Rest des Fleisches aus Sarrance, vermischt mit Brot, wir werden beide satt. Müde sind wir schon, nach etwa 46 Kilometern! Ich bin hundsmüde, Ajiz vielleicht mannsmüde, wer weiß?

    Dienstag, 21. März Canfranc — Jaca

Offizieller Frühlingsbeginn

    Heute schlafen wir länger, das haben wir beide uns redlich verdient. Erst um 10 Uhr 30 brechen wir auf, aber es ist ja nur eine kurze Etappe, 18 Kilometer bis Jaca. Auch wenn Jaca keine wunderschöne alte Bischofsstadt und die ehemalige Hauptstadt des Königreiches Aragon wäre, die nicht nur einen Besuch, sondern sogar einen großen Umweg rechtfertigte, wir müßten die Etappe dort beenden, denn die nächste Pilgerherberge ist 40 Kilometer von Jaca entfernt. Der Jakobsweg vom Somport-Paß bis Puente la Reina ist wenig begangen, entsprechend dünn sind also noch die Pilgerherbergen gesät. Und da Selbstversorgerhäuser wie in Frankreich oder andere Beherbergungsbetriebe auf dieser Strecke praktisch inexistent sind, müssen Pilger ihre Tagesetappen nach den vorhandenen Herbergen planen.
    Der Weg ist deutlich ausgeprägt und ausgezeichnet markiert — auch daran merke ich, daß die Tradition der Jakobspilgerschaft in Spanien äußerst lebendig ist, ja eigentlich nie unterbrochen war. Und jetzt sind wir ein Teil von ihr...
    Das Wetter ist sonnig und warm, fast sommerlich, die Siesta in der Sonne ist ein Genuß. Schon um 16 Uhr stehen wir vor der prächtigen romanischen Kathedrale von Jaca, in der manche den sagenumwobenen Kelch mit dem Blut Christi, den Heiligen Gral, vermuten. Mich beschäftigt hingegen mehr die viel irdischere Frage, ob wohl auch Ajiz in der Pilgerherberge Aufnahme findet, denn nach Auskunft des Herbergsvaters in Canfranc sind Hunde in Spanien praktisch überall „aus“geschlossen, nicht nur in den Pilgerherbergen. Hotels, Restaurants, Bars, Busse, Eisenbahnen usw. bleiben Hunden strikt verwehrt.
    Vorher aber muß ich mich noch mit einem ganz anderen Problem herumschlagen, nämlich meiner eigenen Dummheit. Meine mittlerweile fast schon tägliche Eselei — wann werde ich denn endlich gescheiter? — läßt mich erst einmal an Jaca vorübergehen! Ich sehe zwar linkerhand eine hohe, nicht enden wollende Mauer, denke mir aber nichts dabei und folge brav der gelben Markierung, froh wie ich bin, endlich einem gut markierten Weg folgen zu können. Irgendwann dämmert es dann aber auch mir, daß Jaca eventuell schon hinter mir liegt. Ein Jogger bestätigt den Verdacht, ich habe die Stadtmauern umrundet! Wieder einmal ist es mir gelungen, mir selber eine kleine „Fleißaufgabe“ aufzuerlegen — anscheinend hat sich mein Unterbewußtsein schon so an 30-Kilometer-Etappen gewöhnt, daß es sich weigert, eine Etappe unter 20 Kilometer als vollwertig anzuerkennen!
    Die Pilgerherberge öffnet erst um 20 Uhr 30, bis dahin bleibt mir noch viel Zeit — zum Bummeln, Einkaufen und Lesen. Es ist ein schönes Gefühl, auf der Bank im Park zu sitzen — mein erster Abend in Spanien! — und zu wissen, daß ich zu Fuß hergekommen bin, aus über 800 Kilometer Entfernung!
    Da kein weiterer Pilger in der Herberge übernachtet, darf Ajiz ausnahmsweise auch hinein, aber nur unter der Bedingung, daß ich ihn an einen Tisch binde, was ich zwar hoch und heilig verspreche, aber nicht halte. Der Herbergsvater möge mir nachträglich verzeihen! Aber Ajiz ist mein treuer, verläßlicher und geduldiger Begleiter, er ist sauber und wohlerzogen, und in den vier Wochen, die wir jetzt schon gemeinsam unterwegs sind, habe ich ihn nie über Nacht angeleint, und es hat auch nie ein Problem gegeben. Solange es geht, möchte ich das auch beibehalten, das mögen die Spanier bitte akzeptieren (oder auch nicht, wir werden ja sehen)!
    Dem Herbergsbuch entnehme ich, daß vor zwei Tagen

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