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Nach uns die Kernschmelze

Nach uns die Kernschmelze

Titel: Nach uns die Kernschmelze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Spaemann
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die Menschen wären unfähig, mit diesem Problem fertig zu werden? Nun, da wir über die Kernspaltung verfügen, wird dieses Problem ein moralisches. Nur wenn die Bedenken gegenüber der Richtigkeit des Weges der Energiebeschaffung durch atomare Großversorgungsanlagen den Charakter einer echten moralischen Blockade bekommt, wird erneut jenes Potential an physikalischem, technischem, sozialem und ökonomischem Erfindungsgeist mobilisiert, das wir benötigen, um überhaupt in die Lage zu kommen, Wert und Unwert des atomaren Weges anhand von Vergleichen beurteilen zu können. Eine solche Vergleichbarkeit herzustellen aber scheint mir heute eine Forderung des christlichen Gewissens zu sein.

3.  
»Ich plädiere für die Rückkehr zu einem Fortschritt im Plural« (1988) 3
    Herr Professor Spaemann, nach den jüngsten Schlampereien in der Atomindustrie 4 sind erneut jene Stimmen laut geworden, die den Ausstieg aus der Kernenergie als das Gebot der Stunde bezeichnen. Die Frage an Sie als Philosophen: Ist so eine Ausstiegs-Forderung ethisch überhaupt zu verantworten, solange keine überzeugenden Alternativen für die Energiegewinnung bestehen?
    Ihre Frage suggeriert die berühmten Sachzwänge, an denen man angeblich nicht vorbei kann, selbst wenn man es wollte. Um es gleich vorweg zu sagen – ich bin weit entfernt zu fordern: Sofortiger Ausstieg oder Nicht sofortiger Ausstieg . Wie schnell so etwas geht, wenn man es wirklich will, vermag ich nicht zu beurteilen. Allerdings finde ich es heuchlerisch, wenn Politiker sagen:Das kann man nicht, und wenn sie sich dabei auf vermeintliche Sachzwänge berufen. Manche Leute haben ein merkwürdiges Politikverständnis, wenn sie nur darauf schauen, was unter den gegebenen Bedingungen das Beste ist, was man tun kann. Es geht aber gerade darum, auch die Bedingungen zu ändern, unter denen man etwas ändern kann. Die Frage ist nur, ob man bereit ist, den Preis dafür zu zahlen. Ich sage nicht, was man kann. Aber wenn ein anderer sagt, was man kann, werde ich ihm sagen: Du versuchst, die Leute übers Ohr zu hauen, wenn du hier absolute Zwänge behauptest, wo du in Wirklichkeit nur gegeneinander abgewogen hast und deine Präferenzen einfach durchsetzt.
    Die Suche nach alternativen Energiequellen ist doch bereits in Gang gekommen.
    Ja, aber man sucht in einem fürchterlich lahmen Tempo. Aufrichtiger wäre es, so dringlich zu forschen, als hätte man die Atomkraft nicht schon. Aber das ist wohl ein Wunschtraum. Denn in den alternativen Formen der Energiegewinnung ist für die Wissenschaftler weniger Appeal. Das ist mehr eine Bastler-Angelegenheit, um es mal primitiv zu sagen. Wenn man einen Nobelpreis kriegen will, dann muss man in der Atomphysik arbeiten und nicht an alternativer Energiegewinnung herumbasteln. Die sogenannten Experten, von denen sich die Politiker beraten lassen, werden immer eine gewisseNeigung in diese Richtung haben, weil das für sie interessanter ist.
    Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass Sie die Kernenergie als ein Übel an sich betrachten, bei dem eine Güterabwägung von vornherein unzulässig sei.
    Selbstverständlich kann man hier abwägen, auch wenn ich der festen Überzeugung bin, dass es Bereiche gibt, in denen die Abwägung endet. Ich behaupte nicht, die Erzeugung von Atomstrom sei das, was die Moraltheologen einen actus intrinsice malus , also eine in sich schlechte Handlung genannt haben. Aber ich komme bei der Abwägung doch zu anderen Ergebnissen, als sie uns heute von interessierten Stellen offeriert werden.
    Was sind denn eigentlich Ihre Hauptvorbehalte gegen die Kernenergie?
    Sehen wir hier einmal von den bedrohlichen Folgen einer korrupten Gesinnung ab, die letztlich nie in den Griff zu bekommen sein werden. Dann bleibt als eine Hauptkalamität die Entsorgungsfrage, auch wenn sie erst in 50 oder mehr Jahren unter den Nägeln brennen sollte. Die Verantwortlichen handeln hier frivol. Sie sagen nämlich: Dieses Problem haben wir noch nicht gelöst; aber keine Bange: Wir werden es gewiss noch lösen. Und ohne genau zu wissen, wie sie es lösen werden, fahren sie auf den eingefahrenen Gleisen weiter. Das scheintmir bei Dingen, die solche Gefahren in sich bergen und die kommenden Generationen so fixieren, höchst unverantwortlich zu sein.
    Sind Fortschritte bisher nicht immer auch mit Risiken verbunden gewesen? Ist es nicht so, dass uns ein unbedingtes Streben nach totaler Sicherheit in der Steinzeit gefangen gehalten hätte?
    Die Risiken müssen

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