Nach uns die Kernschmelze
indem sie der rationellen Energienutzung die Begründung und die Mittel entzieht.«
Ethische Schlussfolgerungen
für die Energiepolitik
Das Mindeste, was ich heute sagen möchte, ist: Die Diskussion ist offen. Es sind bei Weitem noch nicht alle Argumente sorgfältig gegeneinander durchgesprochen und abgewogen worden. Immerhin ist die Diskussion an einem Punkt, an dem Carl Friedrich von Weizsäcker erklärte, dass das Ausmaß der Einsparungsmöglichkeiten durch »sanfte Techniken« doch weit größer sei, als er es selbst bis vor Kurzem eingeschätzt habe. Daraus folgt zweierlei:
Es folgt, dass vor einer endgültigen Option über den Weg der Energieversorgung der wissenschaftlich-technische Wettbewerbsvorteil der Vertreter des harten Weges der Großtechnik ausgeglichen werden muss. Alternative Technikforschung muss mit gleichem finanziellen undpersonellen Aufwand einige Jahre gefördert werden, um überhaupt die Entwürfe der »mittleren Technologie« mit den bereits ausgearbeiteten technisch und wirtschaftlich vergleichbar zu machen. Die Forderung eines Moratoriums scheint natürlich demjenigen, der von der Richtigkeit des atomaren Weges überzeugt ist, als eine nicht gerechtfertigte Konzession an die Minderheit. (Übrigens bei uns eine Minderheit, in Österreich Mehrheit: Nur durch Plebiszit hat der sozialistische Bundeskanzler Bruno Kreisky im Jahr 1978 es verhindern können, dass seine Regierung in Wahlen über diese Frage gestürzt wurde.) Aber diese Konzession an die Minderheit muss – wie mir scheint – einem christlichen Gewissen zugemutet werden. Denn wenn schon das Gewicht der Argumente nicht überzeugt, die zugunsten eines solchen Moratoriums sprechen, dann müsste doch das Gewicht überzeugen, das diese Argumente für diejenigen mit der gegenteiligen Überzeugung haben. (Ich sehe dabei ab von den Kommunisten, die selbst von der Erforderlichkeit der Atomenergie überzeugt sind, da sie hervorragend in ihr System passt und sie vorübergehend die Bundesrepublik schädigen wollen.) Für einen Teil der übrigen Gegner handelt es sich um ein Problem, bei dem sich ähnlich wie bei der Abtreibung die Frage der Loyalität gegenüber dem Staat stellt. Denn wer der Meinung ist, durch die hier drohenden Entscheidungen werde eine Hypothek aufgebürdet, die das Risiko für menschliches Leben auf diesem Planeten über die Risiken hinaus, die schon von der Natur eingebaut sind, vergrößert;oder wer der Meinung ist, dass die politische Gestaltungs- und Handlungsfreiheit künftiger Generationen auf unzumutbare Weise eingeschränkt wird, wie z.B. der Freiburger Politologe Hennis, für den überzieht der Staat mit der Freigabe solcher Entwicklungen seine demokratische Legitimität und seinen Loyalitätsanspruch.
Ich erörtere hier nicht, ob diese Überzeugung gut begründet ist. Ich sage nur, sie existiert, und ich sage allerdings auch darüber hinaus, sie ist nicht absurd. Sie ist nicht absurd aus folgendem Grunde: Es gibt eine nicht zu vernachlässigende Zahl namhafter Naturwissenschaftler, die diese Auffassung vertreten. Was soll nun der wissenschaftliche Laie tun? Er hat das Recht und verhält sich durchaus vernünftig, wenn er wissenschaftlichen Argumenten bezüglich Risiken so lange misstraut, wie durch sie nicht alle oder doch fast alle Wissenschaftler überzeugt wurden. Ein Beispiel: Wenn mir verschiedene entgegengesetzte ärztliche Therapien vorgeschrieben werden, etwa bei Knochenbrüchen, dann schaue ich mir die Literatur an, wenn ich selber kein Fachmann bin; ich sehe, dass ein Fachmann eine bestimmte Therapie vorschlägt und dass andere Fachleute ihm widersprechen, d.h. er überzeugt mit seinen Argumenten nicht Kollegen. Dann schaue ich mir an, wie sie miteinander argumentieren, ob sie auf ihre Argumente gegenseitig eingehen, und dann wähle ich natürlich nach Möglichkeit den Weg, der mir als der risikofreiere erscheint. Das ist das Recht und sogar die Pflicht des Laien.
Nun kann man darauf antworten: Der Laie muss so oder so optieren. Risikofreiheit gibt es nicht. Auch der sogenannte sanfte Weg ist nicht gefahrlos. Er enthält, wenn er nicht einlöst, was er verspricht, die Risiken der Senkung des Wohlstandes, ja der Not, damit zusammenhängende Arbeitslosigkeit, soziale Konflikte, womöglich eine gefährliche Unterlegenheit der freien Welt gegenüber der totalitären Bedrohung. Mir scheint dieser Einwand jedoch nicht durchschlagend und zwar aus folgenden Gründen:
Die Situation des Patt in der
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