Nach zwei Tagen Regen folgt Montag
Bremen, hatte sich ein Beben der Stärke 4,5 ereignet – mitten in einem Gasfördergebiet. Ein Ruckeln dieses Kalibers wurde in der Gegend noch nie registriert. Norddeutschland gilt als erdbebenfrei, selbst schwache Vibrationen der Erde sind selten. Am 15. Juli 2005 aber folgte der nächste Schlag: Erschütterungen der Stärke 3,8 ließen in Syke im niedersächsischen Landkreis Diepholz Gebäude erzittern. Die Ursache beider Erdbeben schien rasch gefunden: Uralte Schwächezonen im Gestein in mehr als acht Kilometer Tiefe seien aufgerissen, erklärten Geophysiker. Nach Auswertung der Erdbebenwellen mit neuesten Methoden kamen Seismologen dann allerdings zu einem weitaus heikleren Ergebnis: Demnach war die Gasförderung für die Beben verantwortlich.
Nicht nur durch die Förderung von Erdgas kommt der Boden mitunter ins Wanken. Auch Erdwärmeanlagen, Ölförderung und Stauseen haben schon Dutzende Erdbeben ausgelöst. Weltweit hat es bis heute rund 200 vom Menschen verursachte starke Erdbeben gegeben, berichtet der Seismologe Christian Klose von der New Yorker Columbia Universität. Auch in Europa kommen derartige Erschütterungen immer wieder vor. Um sie auszulösen, bedarf es gewaltiger Kraft: Kilometerdicke Felsschollen im Untergrund müssen ruckartig gegeneinander verschoben werden. Die Kräfte, die durch Bohrungen in den Boden wirken, sind dafür zwar viel zu schwach. Aber sie treffen auf die Erdkruste, die überall unter großer Spannung steht – wie ein Gummiband kurz vorm Zerreißen. Deshalb kann es genügen, Kohle aus dem Untergrund zu schaufeln, damit das Gestein sich plötzlich verschiebt: Die Erdkruste wird ausgehöhlt, schließlich hält sie dem Gewicht des aufliegenden Gesteins nicht mehr stand und bricht – die Erde zittert.
Bei der weltweiten Erdgasförderung ist es bereits zu weitaus stärkeren Beben gekommen. In Frankreich bebte die Erde dreimal zwischen Stärke 5 und 6 und mehrfach stärker als 4. In Italien hat vermutlich die Förderung von Erdgas 1951 einen Schlag der Stärke 5,5 verursacht. In Kalifornien kam es 1983 zu einem 33-mal so starken Beben; es entsprach dem Wert 6,5. In Usbekistan verursachte die Gasförderung 1976 und 1984 sogar drei Schläge der Stärke 7 (die Höhe der Schäden wurde während der Sowjetdiktatur geheim gehalten). Klar ist jedoch, dass Erschütterungen dieser Stärke für nahe Siedlungen katastrophale Folgen haben. In Deutschland sind derartige Beben nach Meinung der Seismologen nicht zu befürchten, da hierzulande die Gasfelder deutlich kleiner sind. Gleichwohl ist unklar, wie stark die Gasfelder in Norddeutschland in Bewegung geraten können. Der Geophysiker Klose kann hier nur eine Tendenz andeuten: »Dauert die Förderung an, nimmt der Druck meist zu.«
Im Bergbau können Erdbeben ausgelöst werden, weil beim Ausschachten von Kohle, Erz oder Salz Hohlräume entstehen. Das darüberliegende Gestein sackt ab. Wird der Druck zu groß, bricht der Fels. Je mehr Gestein dabei in Bewegung gerät, desto stärker das Beben. So löste im März 1989 in Thüringen der Einsturz einer Kalisalzmine ein Beben der Stärke 5,6 aus. In der betroffenen Ortschaft Völkershausen mussten zahlreiche Gebäude abgerissen werden. Es folgte ein politischer Streit: Beide deutsche Staaten gaben sich gegenseitig die Schuld. Im Dezember 1989 ließ ein Beben im australischen Kohlebergbaugebiet Newcastle gleich Hunderte Häuser zusammenkrachen. Bei dem Schlag der Stärke 5,6 starben 13 Menschen, 160 wurden verletzt. Die Schäden beliefen sich auf dreieinhalb Milliarden US-Dollar. »Die Kosten waren höher als die Einnahmen durch die Mine seit ihrer Eröffnung 1799«, sagt Klose. Trotz der Kritik von Wissenschaftlern wies die Bergbaufirma die Verantwortung zurück; das Beben habe natürliche Ursachen gehabt. Doch der Abbau von 500 Millionen Tonnen Kohle entlastete den Untergrund auf riskante Weise, hat Klose berechnet. Weil immer mehr Auflast fehlte, geriet eine kilometerlange Gesteinsnaht im Boden zunehmend unter Spannung. Bis Dezember 1989 hatte sich der Druck um etwa 0,1 Atmosphären erhöht. Ein gefährlicher Schwellenwert war erreicht, Erdbeben waren damit jederzeit möglich geworden.
Bevölkerung und Politiker erkennen die Gefahr meist erst, wenn es zu spät ist. So auch beim Bau von Stauseen. Ihre Wassermasse erhöht den Druck im Untergrund. Im Dezember 1967 löste der Koyna-Stausee in Indien ein Beben der Stärke 6,3 aus, 200 Menschen kamen um. Auch das schwere Beben in Südchina am 12.
Weitere Kostenlose Bücher