Nach zwei Tagen Regen folgt Montag
Jahrzehnten von starken Beben erschüttert. Künftig könnten beträchtliche Zerstörungen drohen, haben Forscher ermittelt; sie fordern, Millionen Gebäude erdbebensicher zu verstärken.
Mitteleuropa steht unter massivem Druck: Die afrikanische Kontinentalplatte rückt zwei Zentimeter pro Jahr nach Norden und treibt Italien wie einen Sporn in den europäischen Kontinent – in der Knautschzone türmen sich die Alpen. Das Gebirge verzehrt die Aufprallenergie jedoch nicht vollständig. So setzt die Kollision auch die Region nördlich der Alpen unter Spannung. Schon vor Millionen Jahren begann Europa entlang des Oberrheingrabens aufzureißen. Schwarzwald und Vogesen waren einst vereint, inzwischen haben sich die beiden Flanken der Ebene zwischen Mainz und Basel bereits 30 bis 50 Kilometer voneinander entfernt. Und die Spreizung hält an. Pro Jahrzehnt sacken die Flanken des Oberrheingrabens um einige Millimeter ab. Immer wieder ruckelt der Boden, zumeist unmerklich. Im Abstand von Jahrzehnten kommt es jedoch zu einem größeren Knall. Zuletzt wackelte am 13. April 1992 die Niederrheinische Bucht. Bei dem Beben der Stärke 5,9 gingen Fensterscheiben und Häuserwände zu Bruch. Ein Mensch erlitt einen Herzinfarkt und starb, 20 Personen wurden verletzt. Versicherungen zahlten rund 120 Millionen Euro für Schäden an mehr als 1300 Häusern.
Auch die Schwäbische Alb und das Erzgebirge sind regelmäßig von Erdbeben betroffen. In den vergangenen 1000 Jahren ereigneten sich nachweislich etwa drei Dutzend harte Schläge in Deutschland. Weil es Erdbebenmessgeräte erst seit 1940 gibt, lässt sich die Stärke der Beben in der Zeit davor nur indirekt bestimmen, etwa anhand von Aufzeichnungen über die Zerstörungen und durch Untersuchungen von Gesteinsschichten. Das schwerste Beben nördlich der Alpen ereignete sich demnach im Jahr 1356, Forscher schätzen seine Stärke auf 6 bis 7. Es zerstörte Teile Basels, 300 Menschen starben, das Münster stürzte ein. Bei Ausgrabungen in Köln fanden Geoforscher Hinweise auf ein ähnlich starkes Beben im 9. Jahrhundert: Klüfte in Erdschichten und Mauern weisen auf einen starken Ruck hin. Die Folgen des Bebens sind jedoch nicht überliefert. Bei fünf historischen Beben in Deutschland gab es nachweislich Tote.
Doch selbst schwächere Beben könnten hierzulande eine Katastrophe auslösen – sofern sie in geringer Tiefe nahe einer Stadt auftreten. Bereits ab der Stärke 3 ist ein Erdbeben normalerweise für den Menschen spürbar, ab Stärke 5 gibt es meist größere Schäden, sofern die Gebäude nicht erdbebensicher gebaut sind. Forscher der Universität Karlsruhe und des Geoforschungszentrums Potsdam ( GFZ ) haben errechnet, welche Folgen Erschütterungen der Stärken 5 bis 6 hätten, die im Durchschnitt alle 475 Jahre auftreten, mit denen aber jederzeit zu rechnen ist. Den Analysen liegen Daten über den Gebäudebestand zugrunde und eine Karte mit dem Erdbebenrisiko für alle 13.490 Gemeinden Deutschlands, erstellt von Forschern um Gottfried Grünthal vom GFZ . Ihr Rechenmodell eichten die Experten anhand der Schäden, die drei mittelschwere Beben in den Jahren 1978, 1992 und 2004 verursachten.
Das Ergebnis der Studie ist beängstigend: In Tübingen etwa ließe ein Schlag dieser Stärke bei jedem fünften Gebäude Dächer und Zwischenwände einstürzen, viele Gemäuer würden von tiefen Rissen durchzogen. Jedes 40. Haus bräche zusammen, nur jedes 20. bliebe unbeschädigt. Balingen und Albstadt träfe es ähnlich hart. Auch in Reutlingen, Düren, Kerpen und Lörrach wären schwere Schäden zu beklagen. In Köln würde ein deutlich geringerer Anteil der Gebäude demoliert, aber die Schäden wären mit insgesamt 790 Millionen Euro am größten, schätzen die Forscher um Sergej Tyagunow von der Uni Karlsruhe, dem Leitautor der Studie. In Aachen seien Einbußen von 560 Millionen Euro zu befürchten, Mönchengladbach, Reutlingen und Stuttgart müssten mit Schäden von mehr als 400 Millionen Euro rechnen, in Freiburg, Karlsruhe und Frankfurt am Main wären sie etwa halb so hoch. Die Studie errechnete nur die Kosten für Gebäudeschäden, wirtschaftliche Verluste wie Einnahmeausfälle blieben unbeachtet. Auch die Anzahl möglicher Toter und Verletzter wurde nicht berücksichtigt.
In manchen Kleinstädten und Dörfern würde ein starkes Beben noch größere Schäden anrichten als in den Metropolen, berichten Tyagunow und Kollegen. Denn auf dem Land stehen vergleichsweise viele Bauten aus
Weitere Kostenlose Bücher