Nachhaltig tot (German Edition)
offensichtlich durch Zufall auf einem geschützten Server der Kanzlei entdeckt. Sie haben alles ausgewertet und dann ein rechtliches Gegengutachten erstellt. Und wenn die beiden damit recht haben, hätte der ganze Kauf so nie abgeschlossen werden dürfen. Sie behaupten, dass Dr. Fürst mit seinem Trick völlig falsch lag. Der Präzedenzfall hat überhaupt keine rechtliche Wirkung und die Ausnahmeregelung hätte nicht angewendet werden dürfen, weil die eigentlich nur in wirklichen Notfällen wie Naturkatastrophen, Hungersnöten oder bei Aufständen oder so gelten soll. Und wenn das stimmt, dann war das ganze Geschäft rechtswidrig! Verstehst du – das würde bedeuten, das alles im Ernstfall rückgängig gemacht werden müsste!“ Jan sah seine Kollegin Beifall heischend an und Nadja starrte mit weit aufgerissenen Augen zurück. „Wir müssen unbedingt überprüfen lassen, ob an dem Gegengutachten der beiden etwas dran ist. Was das alles kosten würde, wenn das Geschäft wirklich rückgängig gemacht werden müsste – und was das für eine politische Schlammschlacht geben würde - nicht auszumalen! Wahrscheinlich wäre sogar die ganze Kanzlei ruiniert!“ Jan stimmte ihr eifrig zu. „Wenn das Gutachten wirklich stimmt, hätten jedenfalls einige sehr wichtige Herren ein ziemlich eindeutiges Motiv!“
***
„Was für ein arrogantes Arschloch“, ärgerte sich Nadja, als sie am nächsten Tag von einem Gespräch mit Dr. Fürst zurück ins Büro kam. „Ich habe überhaupt nichts aus ihm herausbekommen.“ Sie sah ihren Kollegen enttäuscht an, aber der grinste nur. „Mach dir nichts draus, der ist halt ein Profi. Aber dafür haben wir Marcel gefunden!“, triumphierte er. Nadja blieb wie angewurzelt stehen. „Tot?“ Jan schüttelte den Kopf „Er ist quicklebendig, sitzt in Verhörzimmer eins. Er war in Straßburg, in einem der Büros der Kanzlei und er hatte ein Ticket nach Rio de Janeiro dabei, ausgestellt auf morgen.“ Jan grinste zufrieden und Nadja sah ihn bewundernd an. „Das Gutachten hat unser Rechtsdienst übrigens auch schon überprüft. Sie sagen, es ist brillant und es stimmt alles.“ Nadja stieß einen bewundernden Pfiff aus. „Und habt ihr auch schon mit Marcel gesprochen?“ Jan schüttelte den Kopf „Ich hab auf dich gewartet.“ „Braver Junge.“ Nadja grinste.
Der junge Anwalt trug einen maßgeschneiderten Anzug, ein rosafarbenes Hemd und eine dunkle Krawatte. Er hatte die Ellenbogen auf die Tischplatte gestützt und sah genervt aus. Als Nadja das Verhörzimmer betrat, stand er auf und ging mit ausgestrecktem Finger auf sie zu. „Darf ich bitte mal erfahren, was dieses ganze Theater hier soll? Ich habe zu arbeiten, aber stattdessen werde ich hier von Ihren Kollegen in der Gegend herumkutschiert, ohne Grund hierher gebracht und jetzt sitze ich in einem Verhörzimmer wie ein Schwerverbrecher? Ich erwarte eine Erklärung!“ „Setzen Sie sich“, herrschte Nadja ihn an. „Es gibt keinen Grund, sich aufzuregen. Sie sind als ein wichtiger Zeuge hier, mehr nicht, und wir erwarten Ihre Hilfe!“ Nadja war der junge Schnösel sofort unsympathisch. „Warum waren Sie eigentlich in Frankreich – und was wollen Sie in Rio?“, wollte Nadja von ihm wissen, als sie sich ihm gegenüber an den Tisch setzte. „Die Kanzlei hat mich hingeschickt“, gab er ungerührt zurück. „Ich bin ein hoffnungsvolles neues Talent, ich werde irgendwann Partner werden und daher werde ich eben schon jetzt zu den wichtigsten Standorten der Kanzlei geschickt. So einfach ist das. Aber das …“, er sah Nadja geringschätzig an, „ist wohl alles nicht so ganz Ihre Welt.“ Nadja ging nicht auf diese Frechheit ein. „Und warum haben Sie sich die ganze Zeit über nicht bei Ihrer Freundin gemeldet?“, hakte sie nach. Marcel zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Irgendwann muss man sich entscheiden. Ich habe mich für die Karriere entschieden und das eigentlich schon seit Langem. Melanie will das nicht wahrhaben, aber da kann ich ihr nicht helfen. Damit muss sie alleine fertig werden.“ Nadja verhörte ihn eine halbe Stunde lang, ohne dass sie über die selbstverliebten Äußerungen des jungen Mannes hinauskam. Jan übernahm schließlich das Gespräch. „Was ist denn am Abend des 24. März passiert?“, wollte er wissen. „Können Sie uns dazu etwas sagen?“ Der Jurist sah ihn fragend an. „Ich verstehe nicht, was Sie meinen? Ich habe lange gearbeitet, bin dann nach Hause gegangen und ins Bett“, gab er
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