Nachhaltig tot (German Edition)
seinem jungen Kollegen treffen, ein Bier trinken gehen und ihm dort die K.o.–Tropfen ins Getränk geben. Für diesen kleinen Auftrag hatte Dr. Fürst außerdem versprochen, ihn sofort im Anschluss für ein Jahr in das Büro der Kanzlei nach Rio zu schicken, bis Gras über die Sache gewachsen war. Dabei scheint aber irgendetwas schiefgelaufen zu sein, denn er war ja wohl zuerst noch in Frankreich?“, fragte er. Die beiden Kommissare nickten. „Jedenfalls hatte Marcel den Auftrag, mit dem bewusstlosen Kollegen zu warten, bis der Praktikant, dieser Tobias hinzukäme. Der stammt aus armen Verhältnissen, und Dr. Fürst hatte ihm versprochen, ihm das gesamte Studium an einer Privatuniversität zu finanzieren, wenn er für ihn eine kleine Sache erledigen würde. Die beiden haben Thomas dann aus der Bar geschleppt, sind mit einem Fischkutter raus auf die Ostsee gefahren und haben ihn in einem lecken Beiboot mitten auf See ausgesetzt. Auf dem Weg zum Boot ist ihnen der Referendar wohl auch noch abgerutscht und ihm ist dabei ein Schneidezahn herausgebrochen. Den Rest kennen Sie ja“, schloss Dr. Blum seine Erzählung. „Und dann haben die beiden gehofft, dass das Boot sinkt, bevor er wach wird und vielleicht noch das Ufer erreicht, oder was sollte das werden?“ fragte Jan. Der Politiker schüttelte den Kopf. „Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß. Vielleicht wollten sie dem Thomas auch nur eine Lektion erteilen. Da müssten sie schon Dr. Fürst oder Marcel fragen.“ Nadja stand unvermittelt auf. „Vielen Dank, Sie haben uns sehr geholfen. Ich muss Sie allerdings bitten, sich in einer Stunde bei uns auf dem Präsidium einzufinden und Ihre Aussage zu wiederholen.“
Jan fröstelte, als sie draußen vor dem Gebäude standen. „Jetzt wissen wir alles und irgendwie auch wieder nichts. Glaubst du ihm seine Aussage oder meinst du, er will sich nur selbst schützen?“ Nadja zuckte mit den Schultern und zündete sich eine Zigarette an. „Für mich klang er zwar glaubwürdig, aber wir werden die Aussage wohl noch überprüfen müssen.“ Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt. Jan blieb unter dem Vordach stehen und schlug den Kragen seiner Jeansjacke hoch. „Kommst du?“, rief seine Kollegin ihm zu, die schon auf dem halben Weg zum Auto war und sich nach ihm umdrehte. „Wir haben viel zu tun – einen Staranwalt verhören, seinen Praktikanten und seinen Referendar verhaften, die Kleidung der beiden vom Abend der Tat nach dem Blut des Opfers untersuchen und den bisher größten Kauf eines Solarparks in der Geschichte Deutschlands rückgängig machen!“
Grenzerfahrung
Lisa Huth
Cattenom, Samstagnachmittag
Cattenom-Direktor René Lafitte hatte sich in sein Büro zurückgezogen. Eben noch hatte er zu den 15.000 Demonstranten gesprochen. Sie waren überwiegend aus Deutschland und aus Luxemburg angereist. Besonders dramatisch: das Die In. Aus Lautsprechern hatten sie eine Sirene ertönen lassen und waren alle im selben Moment zu Boden gesunken. Sehr eindrucksvoll.
Er seinerseits hatte vom Klimakiller Nummer Eins gesprochen, dem CO2. Dem Treibhausgas hatte die Welt seit der Konferenz von Rio den Kampf angesagt, aber Deutschland hatte mit dem Ausstieg aus der Atomenergie wieder seine Kohlekraftwerke angeheizt und damit den CO2-Ausstoß in die Höhe getrieben. Er hatte eine Videotafel aufstellen lassen, auf der angezeigt wurde, wie viel CO2 etwa das Kohlekraftwerk im saarländischen Ensdorf in die Luft wirbelte. Frankreich dagegen mit seinen 58 Atommeilern würde für die Umwelt sauberen Atomstrom liefern. Die Menge hatte höhnisch aufgelacht. „Fukushima, Fukushima“, hatte sie skandiert und „nicht beherrschbar“ gemeint. Ja, Herrschaftszeiten. Das beschauliche Cattenom lag auf dem Festland. Im deutsch-französisch-luxemburgischen Dreiländereck. Hier gab es keine Tsunamis. Nur die Mosel. Und schon gar keine Erdbeben der Größenordnung von Fukushima. Sie hatten den Mittelwert der Erdbeben in den vergangenen tausend Jahren genommen und sich auf das Doppelte vorbereitet. Auch das hatte er den Demonstranten erklärt. Dass Frankreich ein Hightechland sei. Die Technik des AKW bis ins letzte ausgefeilt sei. Wieder ein höhnisches Auflachen. Diese arroganten Deutschen mit ihrem Bild der unerreichten deutschen Ingenieursausbildung. Glaubten sie, in Frankreich gäbe es keine hoch spezialisierten Ingenieure, dass die Deutschen das technische Know-how für sich allein gepachtet hätten? Wütend drückte er auf den
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