Nachhaltig tot (German Edition)
zurück. „Allein?“, wollte Jan wissen und Marcel zuckte mit den Schultern. „Natürlich“, erwiderte er ungerührt. Es ging noch eine Weile hin und her, bis auch Jan entnervt den Raum verließ. „Ich schätze, das wird heute nichts mehr – wir können ihn gehen lassen, und er soll einfach erreichbar bleiben“, gab er resigniert gegenüber seiner Kollegin zu. Die nickte nur verständnisvoll. „Ich weiß, dass wir der Sache ganz dicht auf der Spur sind, aber ich kriege das alles noch nicht zusammen. Vielleicht war der Tod des anderen Referendars doch nur ein Zufall und hat gar nichts mit dem Gutachten zu tun? Und vielleicht haben sie Marcel bloß weggeschickt, damit er Ruhe gibt, und das ist alles?“ Jan ließ sich erschöpft auf seinen Stuhl sinken. Er war verwirrt, aber Nadja schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, das hängt alles miteinander zusammen. Ich habe auch noch keine Ahnung, wie – aber ich weiß, wer es uns sagen wird!“
***
Der übergewichtige Mann versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und tat alles, um seine Fassade aufrechtzuerhalten. Trotzdem merkten ihm die beiden Kommissare deutlich an, wie nervös er war. Immer wieder tupfte er sich mit einem Stofftaschentuch den Schweiß von der Stirn. „Sie waren doch schon einmal hier, was wollen Sie denn jetzt noch?“, fragte er den ungebetenen Besuch. „Wissen Sie was, Herr Dr. Blum, ich sage es Ihnen ganz ehrlich. Wir sind da, weil wir Ihnen nicht glauben. Wir glauben Ihnen nicht, dass Sie nichts damit zu tun haben. Und wollen Sie auch wissen, warum?“ Jan sah den Minister herausfordernd an. „Weil unser Zeuge, Marcel von Weißberg, uns eine ganz andere Version von der Geschichte erzählt hat – er hat Sie schwer belastet. Wenn er die Aussage vor Gericht wiederholt, reicht das sicher für Ihr Karriereende!“, bluffte der junge Kommissar. Im Blick des Politikers mischten sich blankes Entsetzen mit nackter Wut, trotzdem sagte er nichts, auch wenn man ihm ansehen konnte, dass er sich nur noch mit Mühe im Griff hatte. Für Jan war der Zeitpunkt für seinen großen Auftritt gekommen. Er stand auf und stützte sich mit den Händen auf der Tischplatte vor dem schwitzenden Mann ab. „Sie hatten Angst! Angst, dass das Gutachten ans Licht kommt, Angst um ihre Karriere, um Ihren Ruf und um Ihren gesellschaftlichen Stand! Deshalb haben Sie die beiden Referendare abends nach der Arbeit abgepasst. Der eine ließ sich noch mit Versprechungen vom großen Geld ködern, aber der andere wollte sich lieber mit dem Gutachten einen Namen machen. Also haben Sie ihn auf ein Bier eingeladen, ihm K.o.-Tropfen eingeflößt und ihn ins Hafenbecken geworfen, wo er dann ertrunken ist! So etwas nennt man Mord, Herr Politiker. Und damit sieht es ganz düster aus, für Sie und Ihre …“ „Nein!“, schrie der Minister, sprang von seinem Stuhl auf und nestelte mit einer Hand seine Krawatte vom Hals, um besser Luft zu bekommen. „Ich habe mit dem Tod von diesem Jungen nichts zu tun. Der andere war das und jetzt versucht er, es mir in die Schuhe zu schieben!“, echauffierte er sich. Nadja sah ihn streng an. „Das glauben Sie doch wohl selbst nicht – Marcel von Weißenberg hatte doch überhaupt keinen Grund, seinen Kollegen umzubringen. Sie sollten lieber nicht versuchen, uns für dumm zu verkaufen!“ Der Politiker sah sie wütend an „Sie verstehen überhaupt nichts, oder?“ herrschte er sie an. „Dann erklären Sie’s mir.“ Nadja sah ihm fest in die Augen. Der Mann ließ sich resigniert auf seinen Schreibtischstuhl fallen. Er sah aus, als ob er jeden Moment in sich zusammensacken würde. Mit zitternden Händen goss er sich von dem Cognac ein, den er aus seiner Schreibtischschublade gezogen hatte, und trank das Glas in einem Zug aus, bevor er anfing zu berichten. „Die Transaktion ist eine der bedeutendsten Geschäfte, die in Deutschland im Bereich der erneuerbaren Energien bisher überhaupt abgeschlossen wurden. Durch den Kauf kommen wir nicht nur in der Energiewende und auf unserem Weg zum Atomausstieg ein bedeutendes Stück weiter, sondern wir schaffen tausende von Arbeitsplätzen für diese sonst so strukturschwache Region.“ „Und Sie sichern so Ihre Wiederwahl und verdienen eine Menge Geld“, unterbrach ihn Jan, dem der Text ein wenig zu auswendig gelernt und ein bisschen zu wenig nach einem Geständnis klang. Nadja sah ihn böse an, aber der Politiker ließ sich ohnehin nicht beirren und redete weiter, als wäre nichts gewesen. „Wenn
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