Nachhinein
zwischen Steuerkreuz, zwei Funktions-, vier Aktions- und zwei Schultertasten.
Ihr rechter Daumen rutscht über die runden Knöpfe, tippt farbige Codes. Auf rot-rot folgt grün-blau, auf grün-blau ein gelb-gelb-grün. Dann wieder rot. Oder rot-rot. Das graugetönte Instrument mit den bunten Druckpunkten ähnelt einem kurzen, dickbauchigen Telefonhörer, um dessen an Sprech- und Hörmuschel erinnernde Rundungen sich Handflächen schmiegen.
Der Sound enttäuscht. Der Apparat bringt kaum einen vollen Klang zustande. Es bleibt bei leisem Geklicke. Nur der Rhythmus ändert sich. Unmöglich, eine ästhetische Erfahrung im Spiel mit den tausendfach wiederholten Farbkombinationen der Aktionstasten zu machen. Die Schludrigkeit, mit der sie die Daumen über Flächen und Erhabenheiten glitschen lässt, verwischt die Unterschiede zwischen den gedrückten Punkt- und Pfeilformen, macht sie ununterscheidbar. Ihr Anschlag ist alles andere als sauber, ist vielmehr ein einziges Geschmier.
Die stationäre Spielkonsole verzeiht das. Keine Frau Lichtel weit und breit, die zu formvollendetem Umgang mit dem »Controller« aufrufen würde. Controller, so lautet der Name des Hörers, in den keiner spricht; jener fette, gräuliche Knochen mit vierfarbiger Blindenschrift, dessen Wortschatz sich auf eine Handvoll Befehle beschränkt.
VOR ! RÜCK ! HOCH ! RUNTER ! HIT ! HIT ! HIT !
RÜCK ! VOR ! RUNTER ! HOCH ! HIT ! HIT ! HIT !
Ein paar hingeworfene Brocken Imperative. Kurze, geklickte Aufforderungen einsilbiger Hände. Gespräche, die Monologe bleiben, denn weder der leidenschaftlichste Fingerdruck, noch hitzige Reibereien vermögen den Controller dauerhaft zu erwärmen. Er bleibt Plastik; bleibt hart.
Der eigentliche Ort des Geschehens, des Interesses, der Faszination, liegt ein ganzes Stück weiter weg. JasminCelineJustines Augen wühlen sich wie Hundeschnauzen in die grelle, vollgestopfte Bildschirmwelt. Hier, versunken und umschlossen von blitzenden Rasterpunkten, ist sie Teil einer gnadenlosen Kämpfertruppe, für die Schonung, Mitleid und andere Halbheiten nicht existieren müssen.
Ein Leben ist ein Balken; ist rot und voll oder leer und gelb, und alle beginnen sie ihre Kämpfe mit gleich viel Röte in jenem Lebenskraftmesser, der wie ein Reagenzglas, eine waagerecht schwebende Blutprobe über der Landschaft hängt. Ist der Gegner stark, so haftet er egelartig am Balken, saugt sich mit Signalfarbenem voll, zieht es ab, macht dich alle, wie zuckergeile Kinder ihre Slush-Puppys mit Himbeergeschmack …
Wie leicht lassen sich doch Schläge, K.o.s und ein paar verpixelte Schrammen ertragen, wie sorglos durchquert man Hunderte von überlegenen Gegnern wimmelnde Täler, wenn man weiß, dass nichts endgültig ist.
Endlich unendliche Chancen!
Myriaden von Möglichkeiten die, außer unbezahlten Stromrechnungen und technischen Defekten, nichts gefährden kann.
Was den Überfluss an Repetitionsmöglichkeiten angeht, sind sich Super Nintendo Entertainment System und Klavier durchaus ähnlich. Immerwährendes Üben zeigt bei diesem wie jenem Wirkung, erhöht Trefferquote und Fingerfertigkeit.
Darüber hinaus warten die stationären Spielkonsolen, egal ob aus Holz oder Plastik, brav zu Hause, wo sie Versagen, Verluste, Verbesserungen und Erfolge stoisch hin- und entgegennehmen. Dessen kann man sicher sein.
JasminCelineJustine und ich sind Singleplayer.
In all den Jahren drückt sie keine meiner 88 und ich keine ihrer 9 Tasten. Jede für sich macht, konzentriert und in der Stille der Vereinzelung, eigenhändig ihre Entdeckungen auf der Erfindung eines Unbekannten.
Wonach wir suchen und was wir finden, sitzt auf entgegengesetzten Polen. Während JasminCelineJustine auf der Suche nach Gesellschaft, Zerstreuung und Vergessen jener skrupellosen Kämpfergemeinschaft beitritt, strebe ich einem Punkt entgegen, den ich in den tiefsten Schichten meines Selbst vermute. Nichts und niemanden will ich treffen als diesen Punkt, der die Überraschung, die Neuerung ermöglicht. Was ich spielend ans Tageslicht befördere, klingt für mich allein. Ich spüre keinerlei Sehnsucht nach Zugehörigkeit zur Außenwelt oder irgendwelchen anderen, virtuellen Welten.
Künstlichkeit und Berechenbarkeit, die größten aller Langweiler, manifestieren sich in meinen Augen in allem, was Nintendo zu bieten hat. Daher mein Desinteresse.
In meiner Abneigung übersehe ich die Versenkungsmöglichkeit, die dir dein neues Instrument bietet.
Rückblickend lässt sich
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