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Jonathan und gab den Code ein, um das Tor zu öffnen. »Dies soll die letzte Straße in Manhattan gewesen sein, die noch mit Gaslaternen erleuchtet wurde.«
Sie betraten die Sackgasse, die etwa hundert Meter lang war. Schwer vorstellbar, dass man sich hier im New York des 21. Jahrhunderts befand, so sehr hatte sich der Ort seine Magie und seinen zeitlosen Charme bewahrt.
Sie hielten vor einem pittoresken einstöckigen Haus. Jonathan folgte Claires Instruktionen und hob den Terrakottatopf hoch, unter den die Hausmeisterin die Schlüssel gelegt hatte.
Er betätigte den Hauptschalter, um Strom für Licht und Heizung zu setzen. Madeline sah sich im Haus um, das äußerst geschmackvoll renoviert worden war. Die Einrichtung war modern, manche ursprünglichen Elemente aber waren erhalten geblieben, wie die Ziegelwände, die Deckenbalken und ein beeindruckender Lichtschacht, der dem Haus seinen besonderen Reiz verlieh.
Neugierig betrachtete die Engländerin die Fotos an den Wänden. Claire Lisieux war groß, schlank, sportlich und ausgesprochen hübsch. Madeline war auf der Stelle eifersüchtig.
»Ist es nicht erstaunlich, dass Sie auf mehr als der Hälfte der Fotos abgebildet sind?«
»Wie bitte?«, fragte Jonathan, der gerade den Kamin anzündete.
»Sie sind fast überall dabei: Claire und Jonathan am Herd, Claire und Jonathan auf dem Fischmarkt, Claire und Jonathan im Feinkost Shop Dean and Deluca, Claire und Jonathan auf dem Biomarkt, Claire und Jonathan in Pose mit dieser oder jener Berühmtheit …«
»Sie ist eine Freundin, da ist es doch normal, dass sie solche Souvenirs aufbewahrt.«
»Mal abgesehen von ihrem Vater, sind Sie der einzige Mann auf all diesen Fotos!«
»Machen Sie mir gerade eine Szene?«
»Wer war dieses Mädchen? Etwa Ihre Geliebte?«
»Nein! Wie oft wollen Sie mir diese Frage noch stellen?«
»Auf jeden Fall war sie in Sie verknallt. Das sieht ein Blinder.«
»Keine Ahnung.«
»Aber ich sage es Ihnen.«
»Und was ändert das?«
»Nach Ihrer Trennung hätten Sie sich ihr zuwenden können. Sie ist jung, bildhübsch, augenscheinlich intelligent …«
»Jetzt reicht’s aber.«
»Nein, erklären Sie’s mir.«
»Da gibt es nichts zu erklären.«
»Soll ich es für Sie tun?«, fragte sie und beugte sich herausfordernd zu ihm vor.
»Nein, lieber nicht.«
Jonathan versuchte, zurückzuweichen, aber er stand mit dem Rücken am Kamin, und das Holz begann zu brennen.
»Ich tue es trotzdem! Claire Lisieux ist perfekt: Sie ist sanft, freundlich und seriös. Sie wäre die ideale Mutter, falls Sie sich weitere Kinder wünschen. Sie mögen sie, respektieren sie sehr, aber … wie soll ich sagen? Das wäre zu einfach, zu harmonisch …«
Madeline hatte sich noch mehr genähert, und ihre Lippen waren nur noch wenige Zentimeter von seinen entfernt. Sie fuhr fort:
»Das ist es also nicht, was Sie in der Liebe suchen, stimmt’s? Sie brauchen Leidenschaft, Kampf, Eroberung. Kurz, Claire ist nicht die richtige Frau für Sie …«
Jonathan zögerte mit der Antwort. Er spürte, wie sich Madelines Atem mit seinem vermischte. Nun trieb sie die Provokation zum Äußersten:
»Und ich? Bin ich eine Frau für Sie?«
Er drängte sich an sie und küsste sie.
Seit seiner Trennung von Francesca hatte Jonathan nicht mehr mit einer Frau geschlafen. Und so stellte er sich etwas unbeholfen an, als er Madeline erst die Lederjacke, dann den Pullover auszog. Sie knöpfte sein Hemd auf und knabberte an seinem Ohr. Er löste sich von ihr, um ihr Gesicht besser liebkosen zu können. Sie verströmte einen Duft nach Zitrusfrüchten, Minze und Lavendel.
Als sie nackt waren, sanken sie auf die Couch. Sie hielten sich eng umschlungen, und ihre Körper verschmolzen miteinander, um nur noch einen zu bilden, der sich im Mondlicht bewegte.
Ihr Haar, ihre Haut, ihre Lippen … Die Blicke tief ineinandergetaucht, ließen sie sich von der Lust davontragen.
Draußen ging das Leben weiter in der Stadt, die niemals schläft.
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Kapitel 26
Das Mädchen mit den Modigliani-Augen
Non sum qualis eram.
Ich bin nicht mehr der, der ich war.
HORAZ
Währenddessen in der Juilliard School,
der bedeutendsten Musik-, Tanz- und Schauspielschule von New York
»Ich habe eine SMS von Luke bekommen!«, rief Lorely. Sie hatte die Badezimmertür aufgerissen und hielt ihrer Mitbewohnerin ihr Handy vor das Gesicht.
Den Kopf über das Waschbecken gebeugt, die Zahnbürste in der Hand, fragte
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