Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachricht von dir

Nachricht von dir

Titel: Nachricht von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
Vom Netzwerk:
erschien.
    »Ich denke mal, das ist für Sie«, sagte er und reichte es ihr. »Ganz schön dreist, ihn in mein Adressbuch aufzunehmen.«
    »Tut mir leid, er hat mich um Ihre Nummer gebeten. Er weiß nicht, dass ich mein Handy wiederhabe.«
    Das Vibrieren hielt an.
    »Wollen Sie nicht antworten?«
    »Nein, mir fehlt der Mut.«
    »Hören Sie, es geht mich ja nichts an, und ich weiß nicht genau, was Sie ihm gesagt haben, doch ich finde, Sie können Ihren Freund nicht ohne Nachricht lassen …«
    »Sie haben recht, es geht Sie nichts an.«
    Das Handy verstummte. Jonathan sah Madeline vorwurfsvoll an.
    »Weiß er, dass Sie hier sind?«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Er glaubt, ich bin in London.«
    »Bei Ihrer Freundin Juliane?«
    Sie nickte.
    »Er muss sie erreicht und erfahren haben, dass Sie nicht bei ihr sind.«
    »Ich rufe ihn morgen an.«
    »Morgen? Aber er muss vor Angst verrückt werden! Er wird alle Flughäfen, Kommissariate, Krankenhäuser anrufen …«
    »Hören Sie auf mit Ihrem Theater! Warum nicht gleich ›Entführungsalarm‹, wenn Sie schon mal dabei sind?«
    »Haben Sie denn gar kein Herz? Kein Mitleid mit diesem armen Kerl, der vor Sorgen umkommt?«
    »Sie gehen mir auf die Nerven! Außerdem ist Raphael kein armer Kerl!«
    »Ihr seid doch wirklich alle gleich!«
    »Wenn Sie ein Problem mit Frauen haben, dann machen Sie mich gefälligst nicht dafür verantwortlich.«
    »Sie sind nicht ehrlich mit ihm! Sagen Sie ihm die Wahrheit.«
    »Und was ist, bitteschön, die Wahrheit?«
    »Dass Sie ihn nicht mehr lieben. Dass er nur ein Reserverad in Ihrem Leben war. Eine Krücke, die …«
    Sie hob die Hand, um ihn zu ohrfeigen, doch er packte sie am Handgelenk und konnte sie gerade noch davon abhalten.
    »Ich rate Ihnen, sich zu beruhigen.«
    Er stand auf, zog seinen Mantel an, griff nach seinem Handy und trat nach draußen, um eine Zigarette zu rauchen.
     
     
    Das Neonschild leuchtete in der Nacht. Zu der Eiseskälte gesellten sich auch noch heftige Sturmböen. Jonathan legte die Hand schützend um die Flamme des Feuerzeugs und musste es doch mehrmals versuchen, bis es ihm gelang, seine Zigarette anzuzünden.
     
     
    Wütend erhob sich Madeline, ging zur Theke, um einen doppelten Whisky zu bestellen, den sie mit Ananassaft mischte. In der Jukebox war die tiefe, raue Stimme Leonard Cohens der Rhythmusgitarre und dem Schlagzeug der Beatles gewichen. I need you , sang George Harrison. Es war eine Melodie, typisch für die Sechzigerjahre, leicht und naiv, die der dritte Beatle für Patty Boyd, als er noch mit ihr liiert war, geschrieben hatte, lange bevor sie ihn zugunsten von Eric Clapton verließ.
    Ihr Cocktailglas in der Hand, kehrte Madeline zu dem Tisch zurück. Von ihrem Platz aus beobachtete sie diesen seltsamen Mann, den sie erst seit einer Woche kannte, der aber ihre Gedanken inzwischen derart beherrschte, dass es fast schon zur Obsession wurde. Eingehüllt in seinen Mantel, betrachtete er den Himmel. Im weißen Licht der Straßenlaterne wirkte er melancholisch, fast kindlich. Er strahlte etwas Rührendes, Anziehendes aus, einen schlichten Charme, der Vertrauen einflößte und etwas Ehrliches, Wohltuendes hatte.
    Jetzt sah auch er sie an, und in diesem Moment veränderte sich etwas. Ein Schauer durchrieselte ihren Körper, ihr Magen zog sich zusammen, ihr Herz schlug schneller, und sie hatte plötzlich Schmetterlinge im Bauch.
    Sie wurde von diesen Gefühlen geradezu überrumpelt und fragte sich, woher diese Erregung kam, die sie völlig aus der Bahn warf. Sie hatte sich nicht mehr unter Kontrolle. Verwirrt und außerstande, dagegen anzukämpfen, vermochte sie ihren Blick nicht mehr von seinen Augen zu lösen. Sein Gesicht kam ihr mit einem Mal vertraut vor, so als hätte sie ihn immer schon gekannt.
     
     
    Jonathan nahm einen tiefen Zug an seiner Zigarette und stieß eine blaue Rauchwolke aus, die sich, bedingt durch die Kälte, lange nicht auflöste. Als er Madelines Blick auf sich ruhen spürte, drehte er den Kopf, und zum ersten Mal trafen sich ihre Blicke wirklich.
    Diese Frau … Er wusste, dass sich unter der harten Schale ein weicher Kern – eine sensible und komplexe Person – verbarg. Wegen ihr hatte er sich aus seiner Benommenheit befreit. Und wieder nahm er dieses Band wahr, das sie vereinte. Innerhalb der letzten Tage hatten sie unglaublich viel voneinander erfahren. Wie besessen waren sie in die intimsten Geheimnisse des anderen eingedrungen, hatten ihre Unzulänglichkeiten, ihre

Weitere Kostenlose Bücher