Nachricht von dir
zwangsläufig an den Dienstweg zu halten. Dazu musste man sagen, dass Tasha hin und wieder Kokain nahm und dass Jim die gute Beziehung pflegte, indem er ihr bisweilen eine kleine Dosis zukommen ließ, die er bei der Festnahme von Dealern konfisziert hatte.
»Na, das ist ja eine feine Moral«, meinte Jonathan.
»Bei der Polizei geht es nicht zu wie in einer Sonntagsschule!«, wandte Madeline ein und wählte die Nummer.
Tasha hatte ihren freien Tag. Sie war zu Hause bei ihrer Tochter, bestätigte aber, dass Jim sie um eine Analyse gebeten hatte. Letzte Nacht hatte sie Dienst gehabt und ihm am frühen Morgen die Ergebnisse gemailt.
»Erinnerst du dich, worum es ging?«
»Ein Vergleich von zwei DNA -Profilen.«
»Kannst du mir die E -Mail bitte weiterleiten?«
»Heute wird das schwierig sein.«
»Es ist wichtig, Tasha. Jim ist gestern Nacht gestorben. Ich versuche herauszufinden, warum.«
»Verdammt …«
»Ich schicke dir meine E -Mail-Adresse.«
»Gut, ich nehme Paola mit ins Labor. In weniger als einer Stunde hast du die Ergebnisse.«
Jonathan sah sich auf dem Laptop die Fotos von Bishops Gewalttaten an. Er hatte sich zu dem Mord an Alice bekannt, ohne je den geringsten Beweis dafür zu liefern. Während Jonathan sich durch die Brutalität Bishops kämpfte, wurde ihm plötzlich bewusst, dass er Madeline nur durch diese grausamen Ereignisse kennengelernt hatte. Ohne Alices Verschwinden hätten sie einander nie wiedergesehen.
Während sie ihr Handy überprüfte, um sich zu vergewissern, dass sie Zugang zum Internet hatte, leerte sie unter anderem den Spam-Filter. Der enthielt gut dreißig Nachrichten aller Art, die sie aufforderten, Luxusuhren oder Viagra zu bestellen oder aber Wundermittel, durch die man in zehn Tagen zehn Kilo abnahm.
»Sieh dir das an!«
Inmitten der unerwünschten E -Mails fiel ihr eine Mail auf. Sie war ihr vierundzwanzig Stunden zuvor von … Jim Flaherty geschickt worden.
Ihr Herz schlug schneller. Warum war Jims Nachricht im Spamfilter gelandet? Vielleicht wegen der vielen und sehr großen Anhänge? Aufgeregt begann sie, sich diese Mail näher anzusehen:
Von: Jim Flaherty
An: Madeline Greene
Betreff: Autopsie
Datum: 22. Dezember 2010 18:36
Liebe Madeline,
fällt dir an diesen Fotos etwas auf?
Wenn ja, ruf mich an.
Dein Freund Jim
In der Anlage befanden sich ein PDF -Dokument sowie einige Bilder. Madeline überspielte die Dokumente auf den Laptop, um sie sich auf einem größeren Monitor ansehen zu können. Sie bezogen sich alle auf die Autopsie von Danny Doyle, dem Paten von Cheatam Bridge.
»Was hat denn das mit unserer Sache zu tun?«, fragte Jonathan.
Er beugte sich vor, um den Autopsiebericht gleichzeitig mit Madeline lesen zu können. Wie er schon wusste, hatte man Dannys Leiche auf dem Brachland eines Industriegebiets gefunden, eine Kugel im Kopf, Füße und Hände abgehackt, die Zähne herausgerissen. Der Mord war einer ukrainischen Gang zugeschrieben worden, deren Chef zuvor das gleiche Schicksal erlitten hatte. Die Zusammenfassung des Rechtsmediziners war klassisch: Festlegung des Todeszeitpunkts anhand der Leichenstarre, Hervorhebung der Schmauchspuren rund um die Wunde, Analyse der Organe und bestimmte Entnahmen – Blut, Mageninhalt, DNA . Und all diese Elemente hatten zweifelsfrei bewiesen, dass es sich um Danny Doyle handelte.
Wie oft bei den Autopsien, die an Opfern von Gewaltverbrechen vorgenommen wurden, war der Anblick Übelkeit erregend: violett verfärbtes und durch die Folter verzerrtes Gesicht, grünlicher Thorax, geöffnet bis zum Bauchnabel, Dutzende von Hämatomen, die den ganzen Körper überzogen. Danny war gequält worden und hatte diese Welt nicht in Frieden verlassen. Aber was mochte Flaherty Seltsames daran finden?
Mit dem Zoom vergrößerte Madeline bestimmte Ausschnitte.
»Man hat ihm sogar ein Stück vom Ohr abgerissen«, bemerkte Jonathan.
Madeline runzelte die Stirn und sah sich die Stelle, auf die er deutete, genauer an. Es stimmte, der Leiche fehlte ein gutes Stück vom rechten Ohrläppchen. Aber die Wunde schien älter und vernarbt zu sein. Doch Danny hatte nie ein beschädigtes Ohr gehabt – im Gegensatz zu seinem Zwillingsbruder Jonny …
»Das ist nicht Danny, das ist sein Bruder!«, rief sie.
Dann erklärte sie Jonathan die Geschichte: Die beiden Jungen, die mit fünf Minuten Abstand geboren worden waren, die Rivalität zwischen den Brüdern, die Gewalt und Grausamkeit von Jonny, der unter
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