Nachrichten aus einem unbekannten Universum
Verdauung förderlich ist. Algen und Polypen werden mit Hilfe der Kalkbrocken zermahlen, diese zerbröseln ihrerseits und werden wieder ausgeschieden. Sie sollten wissen, dass der karibische Traumstrand, an dem Sie letzten Sommer gelegen haben, unter anderem aus Papageienfisch-Stuhlgang besteht: Sand.
Haben Sie sich als Kind auch gefragt, wo der Sand herkommt? Ich habe stundenlang darüber gegrübelt. Jedes Korn habe ich in Augenschein genommen, um festzustellen, dass weißer Sand gar nicht so weiß ist. Alle möglichen Farben kommen darin vor, beige, braun und rosa, türkis und quittengelb. Kein Körnchen ist geformt wie das andere. Sand, beschloss ich damals, ist eine großartige Erfindung der Touristikbranche, und es erfordert sicherlich einen Heidenaufwand, ihn vors Hotel zu schaffen. Doch weder Necker- mann noch Thomas Cook haben ein Patent darauf.
Sand verdankt sich vielen Ursachen. Einmal der Erosion von Gebirgen und vulkanischen Ablagerungen. Der dunkelgraue Vulkansand auf Lanzarote liefert dafür ein typisches Beispiel. Die meisten Sandvorkommen bestehen aus äußerst hartem und verwitterungsbeständigem Quarz. Muschelsand wiederum bildet sich aus zertrümmerten Schalen von Meereslebewesen, Korallensand aus den Resten von Korallen. Der beliebte weiße Tropensand etwa entstammt den Mägen von Meereslebewesen, in denen Korallenstücke und andere Bestandteile aus Kalziumkarbonat zermahlen werden. Auch Halimeda, eine große grüne Alge, ist ein verlässlicher Sandlieferant. Ihre scheibenartigen Strukturen bröckeln beim geringsten Anlass und zersetzen sich zu feinen Körnchen. So fördern Korallenriffe auf vielerlei Weise das Entstehen von Sand, der nicht nur Inseln und Festlandküsten säumt, sondern auch weiter draußen zu gewaltigen Bänken aufgeschichtet wird. Je nach Wellengang und Strömung durchbrechen solche Bänke schließlich die Meeresoberfläche. Als Erstes gelangen Vögel auf die neu gebildete Insel, deren Ausscheidungen den Sand mit Nährstoffen durchsetzen. Das ruft Algen auf den Plan und kleine Filtrierer wie Krebse. Besonders Rotalgen beginnen zu wuchern und pressen den Sand unter ihrem Gewicht zusammen, bis er sich schließlich zu Kalkstein verdichtet hat. Nun sind die Bedingungen für die Bildung eines Saumriffs geschaffen, und eine neue Metropole entsteht, eine Heimstatt für Millionen.
Was aber geschieht mit Sandkörnern, die im Meer treiben?
Viele davon setzen sich ab und bilden unterseeische Strände zwischen Korallenbänken. Große Mengen aber werden von den Strömungen und Wellen abgeschliffen, immer und immer wieder, bis sie sich fast vollständig aufgelöst haben und das Wasser mit Kalziumkarbonat sättigen. Und jetzt schließt sich einer der faszinierendsten Kreise im marinen Ökosystem. Denn dieses Kalziumkarbonat dient wiederum den Korallenpolypen zum Bau ihrer kunstvollen Behausungen. Auch im Riff gibt es keinen Anfang und kein Ende. Werden und vergehen sind eins.
An den Blöcken entlangtreibend könnte man meinen, sie seien sämtlich von harter, unbeweglicher Struktur. Der Eindruck täuscht. Ebenso wie harte gibt es auch weiche Korallen. Beide findet man im Riff, doch unterscheiden sie sich in der Bauweise. Weichkorallenpolypen errichten keine starren Behausungen, sondern scheiden so genannte Sklerite aus, kristalline Nadeln, die sie in ihr Gallertgewebe einlagern. Das sieht sehr hübsch aus und führt zur Entstehung elastischer Gebilde, die wenig hinterlassen, wenn sie absterben, im Gegensatz zu ihren stabilen Vettern. Deren härteste Vertreter sind die schwarzen Korallen. Als Einzige findet man sie auch in größeren Tiefen, wo Photosynthese nicht in gleicher Intensität ablaufen kann wie nahe der Oberfläche. Entsprechend langsam wachsen die schwarzen Korallen, und das ist ihr Vorteil. Denn Korallenstöcke werden umso härter, je langsamer sie wachsen. Solide Wertarbeit also, die von jeher das Interesse der Schmuckindustrie auf sich zieht.
Nicht nur schwarze Korallen wecken modische Gelüste. Auch die roten erfreuen sich solcher Beliebtheit, dass Google bei Eingabe des Begriffs »Rote Koralle« erst mal »Wunderschöne Halsketten und Armbänder« ausspuckt, garniert mit Gesundheitstipps. Letztere, weil rote Korallen als Mittel gegen Gelenkbeschwerden und Osteoporose gelten — klar, Kalzium. Richtig schaurig wird es, wenn sich ein Anbieter ergötzt:
»Die rote Koralle ist ein guter Schutzstein für Schwangere und Kinder vor täglichen Gefahren und schwarzer
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