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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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seiner Beute in den Fluten.
    So Furcht erregend diese Attacken sind, stellen sie vor allem für einen ein tödliches Risiko dar: für den Angreifer. Wenn sich der Orca nur um eine Kleinigkeit verschätzt, reichen seine Kräfte nicht aus, um sich zurück ins Meer zu stemmen; er bleibt liegen und verendet. Ähnlich ging es Basilosaurus. Auch ihn trieb sein ungezügelter Appetit in Lagunen und Flussläufe. Von der einstmals ausgedehnten Tethys war nicht viel geblieben, noch trennte sie Afrika und Indien von Eurasien, doch der Abstand war geschrumpft. Dafür überflutete sie flache Landstriche und versammelte das Leben in warmen Schelfmeeren, deren Ausläufer sich in Mangrovensümpfen und Flüssen verzweigten.
    Ein argloser kleiner Bär, der durchs Seichte watschelte, konnte so durchaus Beute des Basilosaurus werden. Doch allzu oft wurde der Riese selbst das Opfer. 15 bis 20 Meter lange Seeschlangen sollten sich tunlichst im Tiefen aufhalten. Nun waren Flüsse im Oligozän nicht zu vergleichen mit der weinseligen Mosel oder dem Vater Rhein. In Flüssen und Lagunen tummelte sich damals jede Art von Leben. Ein Baumbewohner, der eben mal über die Wasserstraße wollte und das gegenüberliegende Gehölz verfehlte, machte aufspritzende Bekanntschaft mit der Heimstadt von Haien, Walen und Krokodilen.
    Für die Entwicklung der Wale spielte die warme Tethys mit ihren Becken und Buchten, Lagunen und nährstoffreichen Strömungen eine unschätzbare Rolle. Doch alles ist vergänglich. Die Kontinente rückten weiter aufeinander zu, arabische Landmassen verschmolzen mit dem eurasischen Kontinent, die Nordwestspitze Afrikas näherte sich Spanien. Neue Meeresströmungen brachten kältere Temperaturen mit sich. Heute bevorzugen viele Wale die Kälte, Urwale hingegen waren jämmerliche Frostbeulen, die schließlich schnatternd zugrunde gingen. So ist das, selbst wenn man keine natürlichen Feinde hat. Einen Feind hat man immer. Die Natur.
    Doch Miss Evolution hatte ein Einsehen mit den riesigen Gesellen. Nichts weniger schwebte ihr vor, als das Kleinste dem Größten zu vermählen, und in den eisigen Südmeeren waren die Kleinen auf ihre Weise schon die Größten: Plankton, in rauen Mengen vorhanden. So dachte sich Miss Evolution neue Wale aus, ohne Zähne, dafür mit Barten, um das Mikrogezappel aus dem Wasser zu filtern. Und auch die Zahnwale durften weiter mitspielen, weshalb wir uns heute der Gesellschaft von Pottwalen, Schwertwalen und Delphinen erfreuen. Dafür musste Basilosaurus nach 15 Millionen Jahren das Feld räumen. Erdgeschichtlich war er also nicht übermäßig lange im Spiel.
    Allerdings immer noch neun Millionen Jahre länger als bis dato der Mensch.

 
Der Tag, als das Meer verschwand
    Korsika. Trauminsel im Mittelmeer. Pittoreske Orte, saubere Strände und Felsküsten, in denen Treppen zu kristallklaren Buchten hinunterführen. Sie haben gefrühstückt, ein bisschen mit den Besitzern des netten Hotels geplaudert, in dem Sie abgestiegen sind, und für den Abend einen Tisch bei »Nico« reserviert, dessen Bouillabaisse einen legendären Ruf genießt. Noch fühlen Sie sich ein bisschen dösig. Haben Sie gestern Nacht wirklich zwei Flaschen Landwein niedergemacht? Was soll’s, es war so eine wunderbare, sternenklare Nacht, und außerdem haben Sie ja das Meer vor der Haustür. Ein-, zweimal durch die Lagune gekrault, und der Kopf ist wieder klar.
    In Shorts und mit Handtuch bewehrt, schlendern Sie unter blühenden Bäumen hindurch zu der Holzstiege, die im Zickzack zum Felsenstrand führt. Gleich wird sich die Vegetation öffnen und den Blick freigeben auf das diamantene Meer im frühen Sonnenlicht. Sie werden sich hineinstürzen ins kühle Blaugrün und bis zum Grund sehen können, wo Schwärme winziger Fische Algen von den Steinen knabbern. Danach können Sie ein Stündchen in der Sonne dösen oder ein paar Seiten lesen, und dann ...
    Wie angewurzelt bleiben Sie stehen.
    Wo das Meer war, erstreckt sich ein abschüssiges, gerölliges Feld, das in Terrassen zu einer schier endlosen Tiefebene abfällt. Fassungslos erwandern ihre Augen Seen, Wüsten, ausgedehnte Hügelketten und Wälder. Sie befinden sich nicht länger auf einer Insel, sondern auf einem zerklüfteten Plateau in mindestens 2.500 Metern Höhe. Das Gebiet, das Sie überschauen, besitzt die Ausmaße eines ganzen Landes. Im Nordwesten erblicken Sie mehrere vom Dunst verwaschene Silhouetten. Eine gewaltige Gebirgsfront türmt sich dort auf. Südwestlich, kaum

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