Nachrichten aus einem unbekannten Universum
machen Sie keinen sonderlich appetitlichen Eindruck. Das Tier zieht an Ihnen vorüber, hell an der Unterseite, mit dunkel gesprenkeltem Rücken, groß genug, um mehrere Kleinwagen in seinem Inneren unterzubringen. Endlich kommt eine Fluke in Sicht, langsam auf- und abschwingend, dann ist der Gigant vorübergezogen und verschmilzt mit der diffusen See.
Fasziniert schnellen Sie aus dem Wasser, pumpen frische Luft in Ihre strapazierten Lungen und sehen zu, dass Sie Land gewinnen. Gut 18 Meter mag der Leviathan gemessen haben. Als Sie tropfnass und immer noch außer Atem zu Ihrer Expedition stoßen und von Ihrem Erlebnis berichten, erfahren Sie, dass Ihr Wiedersehen mit Ambolucetus soeben stattgefunden hat. Der Bursche hat sich nur ein wenig verändert über die Jahrmillionen. Er ist zu einem Basilosaurus herangewachsen, dem größten und gefährlichsten Seeräuber seiner Zeit.
Im Gegensatz zu Pakicetus und Ambolucetus war Basilosaurus ganz dem Meer angepasst. Unter Wasser hörten Wale inzwischen ausgezeichnet, nur die Orientierung per Sonar hatten sie noch nicht erlernt. Der Preis für die neuen Fähigkeiten war der Verlust des Hörvermögens an der Luft, die ein Basilosaurus zwar atmete, ohne noch Landbesuche in Erwägung zu ziehen. Er hätte dort gar nicht mehr überleben können. Lediglich winzige Stummel seiner hinteren Extremitäten waren ihm verblieben, kaum sichtbar, einzig dem Zweck dienlich, den Partner beim Sex in stabiler Lage zu halten. Die Basilosaurier-Stellung ist ganz anders als die Missionarsstellung, die Liebenden stehen aufrecht im freien Wasser, Bauch an Bauch, die Köpfe zur Oberfläche gereckt. Mit bis zu 20 Metern Länge waren die Männchen etwas größer als die Weibchen, die es auf 15 Meter brachten.
Auch sonst gibt es einiges zu bestaunen, vor allen Dingen die Besonderheiten des Körperbaus, denn ein Basilosaurus ist zwar ein Wal (und kein Saurier, wie der Name vermuten lässt), trägt aber das Gebiss eines Landraubtiers und erinnert zugleich an eine gemästete Seeschlange oder gigantische Muräne. Heutige Wale sind anders proportioniert, der Kopf nimmt einen wesentlich größeren Teil ein, beim Pottwal mehr als ein Drittel der Gesamtlänge. Ein Basilosaurus hingegen weist vom Nacken bis zur Fluke das Achtfache seiner Schädellänge auf.
Wie Basilosaurus sich bewegt hat, ist nicht hinreichend geklärt. Als echter Wal müsste er durch Auf- und Niederschlagen der Schwanzflosse vorangekommen sein, allerdings spricht die lang gezogene Form eher für ein gemächliches Schlängeln. Möglicherweise tat er auch beides, je nach Laune. Man weiß, dass die Riesen von Parasiten befallen waren wie heutige Wale auch. Seeläuse und sessile Krebse hefteten sich an den enormen Wanst, was dem Wal missbehagte. Da er keine Hände besaß, um sich die schmarotzende Brut vom Leibe zu halten, ließ er sich zum Meeresgrund sinken und rieb sich dort an Kolonien von Nummuliten, großen Einzellern in Kalkgehäusen. Dabei dürfte er den gewaltigen Körper schlangengleich gekrümmt haben — ein atemberaubendes Schauspiel, speziell im Rückblick auf das lausige Gekreuch, dem er entstammt. Basilosaurus war beileibe nicht der Erste, der klein angefangen hatte, aber kaum einer brachte es je zu solcher Größe. Nichts und niemand wurde ihm gefährlich. Selbst der Isurus-Hai, ein direkter Vorfahre des Weißen Hais, griff einen Basilosaurus nur in Zeiten ärgsten Hungers an, dem Risiko ausgesetzt, selbst als Mahlzeit zu enden. Große Fische, Robben, Kälber von Seekühen, Kopffüßer und kleinere Dorudon-Wale, alles verschwand im Maul des immer hungrigen Riesen, der auch ein schmackhaftes Landtier nicht verschmähte.
Ach! Hatte Basilosaurus dem Ländlichen nicht abgeschworen?
Doch. Aber das haben Orcas auch. Trotzdem wuchten sie sich vor den Küsten Südamerikas aus der Brandung und holen sich junge Seelöwen direkt vom Strand. Ein solcher Angriff ist ein unvorstellbares Schauspiel. Es scheint, als ob das Meer selbst zur Attacke ansetzt. Ein wild schäumender Wasserberg erhebt sich direkt hinter dem kleinen Seelöwen, eine Woge, in der eine schwarze Silhouette sichtbar wird. Die Silhouette klappt auseinander und entblößt regelmäßige weiße Kegelzähne vor einem rosa Schlund. In einem Inferno aus Gischt und Blut wird der Seelöwe in die Luft geschleudert, brüllend vor Überraschung und Schmerz fliegt er ins tiefere Wasser, und der Orca wuchtet sich mit einer einzigen Bewegung
herum, packt ihn und verschwindet mit
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