Nachrichten aus Mittelerde
ihre edle und sanfte Gemütsart und ihre Liebe zu den Valar geerbt.So gut er konnte, hielt er sich fern von den Streitigkeiten seiner Brüder und von ihrer Entfremdung von den Valar, und oft suchte er Frieden bei den Teleri, deren Sprache er erlernte. Er heiratete Earwen, die Tochter des Königs Olwe von Alqualonde, und seine Kinder gehörten somit zur Sippe Elu Thingols aus Doriath in Beleriand, denn dieser war der Bruder Olwes; und diese Verwandtschaft beeinflusste ihre Entscheidung, das Exil auf sich zu nehmen, was sich später in Beleriand als sehr bedeutungsvoll erwies. Finrod hatte wie sein Vater ein schönes Gesicht, goldenes Haar und ebenfalls ein edles und großmütiges Herz, obwohl er den hohen Mut der Noldor besaß und in seiner Jugend Tatendrang und Unrast zeigte; von seiner Teleri-Mutter hatte er auch die Liebe zum Meer geerbt und die Träume von fernen Ländern, die er nie gesehen hatte. Galadriel war die größte unter den Noldor, Feanor vielleicht ausgenommen, obgleich sie klüger war als dieser, und ihre Klugheit wuchs mit den langen Jahren. Ihr Mutter-Name war Nerwen (›Mann-Mädchen‹) 1 und sie wuchs zu einer Größe heran, die sogar die der Noldor-Frauen übertraf; sie besaß Stärke des Körpers, des Geistes und des Willens und war in den Tagen ihrer Jugend eine Rivalin der Gelehrten und Athleten der Eldar. Sogar unter diesen galt sie als schön, und ihr Haar hielt man für ein unvergleichliches Wunder. Es war golden wie das Haar ihres Vaters und ihrer Großmutter Indis, doch üppiger und strahlender, denn über seinem Gold lag ein Hauch der Erinnerung an das sternengleiche silberne Haar ihrer Mutter. Und die Eldar sagten, dass das Licht der zwei Bäume, Laurelin und Telperion, in seinen Flechten eingefangen worden sei. Manche glaubten, dass diese Redensart Feanor zu der Eingebung verhalf, das Licht der Bäume einzuschließen und zu vermischen, zu einem Licht, das später unter seinen Händen Gestalt als die Silmaril gewann. Denn Feanor blickte Galadriels Haar mit Staunen und Entzücken an. Dreimal bat er sie um eine Flechte, aber Galadrielwollte ihm nicht einmal ein einziges Haar geben. Diese beiden Verwandten, die größten der Eldar von Valinor, waren einander auf immer unfreundlich gesinnt.
Galadriel wurde in der Zeit der Seligkeit Valinors geboren, doch in der Zeitrechnung des Segensreiches währte diese nicht lange, bevor sie dahinschwand; und danach fand sie dort keinen Frieden. Denn in jener Zeit der Prüfung und inmitten des Zwistes unter den Noldor wurde sie hin und her gezogen. Sie war stolz, stark und eigenwillig wie alle Nachkommen Finwes, außer Finarfin. Wie ihr Bruder Finrod, der von allen ihren Verwandten ihrem Herzen am nächsten war, träumte sie von fernen Ländern und Herrschaftsgebieten, die ihr gehören und die sie nach ihrem eigenen Willen und ohne Bevormundung würde regieren können. Doch tiefer noch beseelte sie der edle und großmütige Geist der Vanyar und die Verehrung für die Valar, die sie nicht vergessen konnte. Seit ihrer Jugend besaß sie die wundersame Gabe, in den Herzen anderer zu lesen, doch sie beurteilte sie mit Erbarmen und Verständnis und niemandem außer Feanor versagte sie ihr Wohlwollen. In ihm erkannte sie eine Dunkelheit, die sie hasste und fürchtete, obgleich sie nicht begriff, dass der Schatten des nämlichen Bösen auf die Herzen aller Noldor gefallen war, auch auf ihr eigenes.
So geschah es, dass, als das Licht von Valinor für immer dahinschwand, wie die Noldor dachten, sie sich dem Aufruhr gegen die Valar anschloss, die ihnen zu bleiben befahlen; und als sie einmal den Fuß auf die Straße des Exils gesetzt hatte, wollte sie nicht nachgeben, sondern wies die letzte Botschaft der Valar zurück und verfiel dem Urteilsspruch Mandos’. Sogar nach dem erbarmungslosen Angriff auf die Teleri und dem Raub ihrer Schiffe, und obwohl sie in der Verteidigung der Sippe ihrer Mutter verbissen gegen Feanor kämpfte, wich sie nicht zurück. Ihr Stolz ließ eine Umkehr nicht zu, sie wollte kein besiegter Bittsteller sein, der um Vergebung bat; vielmehr brannte siejetzt vor Verlangen, Feanor mit ihrem Zorn zu verfolgen, in welche Länder er auch immer kommen mochte, und ihm auf jede mögliche Weise entgegenzuarbeiten. Noch immer bewegte sie Stolz, als sie am Ende der Altvorderenzeit nach dem endgültigen Sturz Morgoths die Vergebung der Valar für alle, die gegen ihn gekämpft hatten und in Mittelerde geblieben waren, zurückwies. Es mussten noch zwei
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