Nachrichten aus Mittelerde
so weit frei, dass wenige Männer darauf leicht nach oben steigen können. Lasst den Zugang an der Straße noch verdeckt, so dass niemand, der die Straße benutzt, versucht sein könnte, den Pfad zu begehen, bevor ich selbst dorthin komme. Erzählt niemandem, wohin ihr geht oder was ihr getan habt. Falls euch jemand fragt, sagt lediglich, der Fürst und Truchsess wünsche, dass ein Ort für sein Treffen mit dem Fürsten der Reiter vorbereitet werde.«
Zur festgesetzten Zeit brach Cirion mit seinem Sohn Hallas, dem Fürsten von Dol Amroth und zwei anderen aus seinem Rat auf; und er traf Eorl an den Stegen der Meringstroms. Eorl wurde von drei seiner Hauptanführer begleitet.
»Lasst uns nun zu dem Ort gehen, den ich vorbereitet habe«, sagte Cirion. Darauf ließen sie eine Wache von Reitern an der Brücke, wandten sich zurück in die baumüberschattete Straße und kamen zu dem aufrecht stehenden Stein. Dort ließen sie ihre Pferde und eine weitere starke Wache von Soldaten zurück;und Cirion, neben dem Stein stehend, wandte sich an seine Begleiter und sagte: »Ich werde nun auf den Berg der Ehrfurcht steigen. Folgt mir, wenn ihr wollt. Ein Knappe wird mit mir kommen und ein weiterer mit Eorl, um unsere Waffen zu tragen; alle anderen sollen unbewaffnet mitgehen und Zeugen unserer Worte und Taten an jenem ehrwürdigen Ort werden. Dieser Pfad ist hergerichtet worden, obwohl ihn niemand benutzt hat, seit ich mit meinem Vater hierherkam.«
Dann führte Cirion Eorl in die Bäume, und die anderen folgten in guter Ordnung; und als sie den ersten der inneren Steine passiert hatten, verstummten ihre Stimmen, und sie schritten behutsam weiter, als wollten sie nicht den geringsten Laut verursachen. So gelangten sie schließlich zu den höheren Regionen des Berges, durchschritten einen Gürtel weißer Birken und erblickten die Steintreppe, die zum Gipfel führte. Nach dem Schatten des Waldes erschien ihnen die Sonne heiß und strahlend, denn es war im Monat Úrime; doch die Kuppe des Berges war grün, als befände das Jahr sich noch im Lótesse.
Am Fuß der Treppe öffnete sich in der Bergwand eine kleine Felsplatte oder Höhlung mit niedrigen Rasenbänken. Dort saß die Gesellschaft eine Weile, bis Cirion sich erhob und von seinem Knappen den weißen Amtsstab und den weißen Mantel der Truchsessen von Gondor entgegennahm. Auf der ersten Stufe der Treppe stehend, brach er dann das Schweigen und sagte mit leiser, aber klarer Stimme:
»Ich will nunmehr erklären, was ich, kraft der Befugnis der Truchsesse der Könige, beschlossen habe, Eorl, Sohn Léods, dem Fürsten der Éothéod, in Anerkennung der Tapferkeit seines Volkes und der nie erhofften Hilfe, die er Gondor in einer Zeit bitterer Not brachte, darzubieten. Ihm, Eorl, will ich als freiwilliges Geschenk das ganze große Land Calenardhon vom Anduin bis zum Isen übergeben. Dort soll er, wenn er will, König sein und seine Erben nach ihm, und sein Volk soll dort inFreiheit wohnen, solange die Macht der Truchsessen währt, bis der Große König zurückkehrt. 37 Keine andere Verpflichtung soll ihnen auferlegt werden als die ihres eigenen Gesetzes und ihres eigenen Willens, diese eine ausgenommen: Sie sollen in immerwährendem Frieden mit Gondor leben und dessen Feinde sollen die ihren sein, solange beide Reiche bestehen. Doch die gleiche Verpflichtung soll auch für das Volk von Gondor gelten.«
Darauf erhob sich Eorl, doch er blieb für einige Zeit stumm. Denn er war erstaunt über die erhabene Großzügigkeit des Geschenkes und über die vornehme Art und Weise, in der es dargeboten worden war; und er erkannte die Klugheit Cirions, der als Herrscher von Gondor zu seinem eigenen Nutzen zu schützen suchte, was von seinem Reich geblieben war, und der als Freund der Éothéod ihre Bedürfnisse erkannte. Denn sie waren nun zu einem Volk herangewachsen, das für ihr Land im Norden zu zahlreich geworden war und das die Rückkehr nach Süden in seine frühere Heimat ersehnte, doch aus Furcht vor Dol Guldur zurückgehalten wurde. Doch in Calenardhon würden sie nun über mehr Raum verfügen als erhofft und doch den Schatten des Düsterwalds fern sein.
Doch jenseits von Klugheit und staatsmännischem Denken wurden Cirion und Eorl zu dieser Zeit von einer tiefen Freundschaft bewegt, die ihre Völker aneinanderband, und durch die tiefe Zuneigung, die sie als aufrechte Männer füreinander empfanden. Von Seiten Cirions, erfahren in den Unruhen der Weltläufte, war es die Liebe eines
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