Nachrichten aus Mittelerde
Firienwald. 48
In späteren Zeiten wurde der Tag der Eidleistung als der erste Tag des neuen Königreiches gezählt, als Eorl den Titel König der Mark der Reiter annahm. Doch tatsächlich war das eine Weile, bevor die Éothéod das Land in Besitz nahmen, und zu seinen Lebzeiten war Eorl als Fürst der Éothéod und König von Calenardhon bekannt. Der Begriff Mark kennzeichnete ein Grenzland, besonders ein solches, das der Verteidigung der Binnenlande eines Reiches diente. Die Sindarin-Namen
Rohan
für die Mark und
Rohirrim
für das Volk wurden zuerst von Hallas geprägt, dem Sohn und Nachfolger Cirions, doch sie wurden nicht nur in Gondor oft benutzt, sondern auch von den Éothéod. 49
Am Tage nach der Leistung der Eide umarmten sich Cirion und Eorl und nahmen nur widerwillig voneinander Abschied. Eorl nämlich sagte: »Königlicher Truchsess, ich habe vieles zu tun und bin in Eile. Dieses Land ist nun frei von Feinden; doch sie sind nicht mit der Wurzel zerstört, und wir wissen noch nicht, welche Gefahr jenseits des Anduin und unter den Säumen des Düsterwaldes lauert. Ich sandte gestern Abend drei Boten nach Norden, tapfere und erfahrene Reiter, und hoffe, dass zumindest einer von ihnen meine Heimat vor mir erreicht. Denn ich muss nun selbst mit einigen Truppen zurückkehren; mein Land wurde mit wenigen Männern zurückgelassen, denen, die zu jung oder die zu alt waren; und wenn unsere Frauen und Kinder eine so große Reise unternehmen sollen und mit so vielen Gütern, auf die wir nicht verzichten können, müssen sie beschützt werden, und nur dem Fürsten der Éothéod selbst werden sie folgen. Ich will alle Truppen hierlassen, die ich erübrigen kann, fast die Hälfte des Heeres, das nun in Calenardhon ist. Dort sollen einige Kompanien berittener Bogenschützen bleiben, um da einzugreifen, wo sie gebraucht werden, falls noch feindliche Banden im Land herumlungern; doch die Hauptstreitmacht soll im Nordosten bleiben, um die Stelle zu bewachen, an der die Balchoth aus den Braunen Landen einen Übergang über den Anduin gemacht haben; denn dort ist noch immer die größte Gefahr, und dort liegt auch meine größte Hoffnung, wenn ich wiederkomme, mein Volk mit so wenig Leiden und Verlusten wie nur möglich in sein neues Land zu führen. Ich sage: falls ich zurückkehre, doch sei versichert, dass ich zurückkehren werde, um meinen Eid einzulösen, wenn nicht ein Unglück uns befällt und ich und mein Volk auf dem langenWeg zugrunde gehen. Denn dieser muss auf der Ostseite des Anduin entlangführen, immer unter der Bedrohung des Düsterwaldes, und schließlich durch das Tal, das von dem Schatten des Berges heimgesucht wird, den ihr Dol Guldur nennt. Auf der westlichen Seite gibt es weder einen Weg für Reiter noch für einen großen Zug von Menschen und Wagen, selbst wenn die Berge nicht von Orks unsicher gemacht würden; und niemand, ob wenige oder viele, kann das Dwimordene durchqueren, in dem die Weiße Herrin wohnt und Netze spinnt, die kein Sterblicher durchschreiten kann. 50 Ich werde die Oststraße benutzen, auf der ich auch zum Celebrant gekommen bin. Mögen jene, die wir zu Zeugen unserer Eide angerufen haben, uns in ihre Obhut nehmen. Lass uns nun in guter Hoffnung scheiden! Habe ich deine Erlaubnis?«
»Du hast sie selbstverständlich«, sagte Cirion, »denn ich sehe nun, dass es nicht anders sein kann. Ich erkenne, dass ich in unserer eigenen Gefahr zu wenig an die Gefahren gedacht habe, denen du gegenüberstandest, und an das nicht zu erhoffende Wunder eurer Ankunft nach so vielen langen Meilen aus dem Norden. Die Belohnung, die ich dir bei unserer Rettung aus Freude und übervollem Herzen dargeboten habe, erscheint nun gering. Aber ich glaube, dass die Worte meines Eides, die ich nicht vorbedacht habe, ehe ich sie aussprach, mir nicht umsonst in den Mund gelegt wurden. So wollen wir uns denn voller Hoffnung trennen.«
Nach der Art der Chroniken ist zweifellos vieles von dem, was hier Eorl und Cirion bei ihrer Trennung in den Mund gelegt wird, während ihrer Unterhaltung am Abend zuvor gesagt worden; doch es ist sicher, dass Cirion beim Abschied jene Worte sagte, die die Eingebung seines Eides betreffen, denn er war ein Mann von geringem Stolz, großem Mut und edelmütigem Sinn, der edelste der Truchsessen von Gondor.
Anmerkungen
1
Es existiert keine Schrift mit diesem Titel, doch ohne Zweifel stellt die Erzählung im dritten Abschnitt (»Cirion und Eorl«, Seite 474ff.) einen Teil davon
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