Nachruf auf eine Rose
dachte sie, wie in den guten alten Zeiten.
«Wie hübsch», rief sie aus. «Meine Mutter hat die gleiche Teekanne!»
Mrs Kemp errötete und brachte die nun folgende Teezeremonie mit offensichtlicher Freude hinter sich. Hier schien sie sich auf vertrautem Boden zu bewegen. Einen peinlichen Moment lang sah es so aus, als wollte Cooper sein Gebäck mit Honig bestreichen, doch der konsternierte Blick, den ihm die Frau des Rechtsanwalts zuwarf, erreichte sogar ihn, und die Gefahr war gebannt.
Nightingale schwatzte munter mit Mrs Kemp. Inzwischen waren sie vom erlesenen Teeservice zu einem anderen Thema übergegangen: Wie wichtig es doch war, ein bestimmtes Niveau zu halten, was in diesem Hause offensichtlich ein bevorzugtes Thema zu sein schien. Als Cooper, eine Entschuldigung murmelnd, den Raum verließ, ergriff Nightingale die Gelegenheit beim Schopfe.
«Ich bin so froh, dass wir einen Moment allein sind, Mrs Kemp. Da gibt es etwas, über das ich gerne mit Ihnen sprechen würde, und das sollten wir unter vier Augen tun.»
Mrs Kemp sah Nightingale erschrocken an, und ihre Teetasse klirrte auf dem Unterteller.
«Es geht um Mr Kemp und um seine Aktivitäten in den letzten Monaten.»
Mrs Kemp wurde mit einem Mal sehr blass, und mit harten braunen Augen fixierte sie die charmante junge Frau, die sie einen Moment lang für eine Freundin gehalten hatte.
«Es gibt da Gerüchte, oder besser gesagt … Ich fürchte, es sind mehr als nur Gerüchte, dass Ihr Mann und seine –»
«Noch Tee, Constable Nightingale? Sie haben ja gar nichts mehr drin.»
«Nein, danke. Wie ich eben sagte, hat man uns zugetragen, Ihr Mann habe ein Verhältnis.»
War das Erleichterung, was kurz in ihrem Blick aufflackerte? Wie merkwürdig.
«Wer erzählt denn so was?», fragte Mrs Kemp gezwungen, als bemühte sie sich, genau das zu sagen, was man von ihr erwarten würde.
«Eigentlich haben das mehrere Leute behauptet.»
Eine ganze Weile lang sprach keiner ein Wort, dann stellte Muriel Kemp Tasse und Unterteller mit Nachdruck ab.
«Nun, ich sehe keinen Grund, es zu bestreiten. Ja, Jeremy hatte Affären, immer wieder mal. Zwischendurch bemüht er sich, ein treuer Ehemann zu sein, aber dann wird er doch wieder schwach. Natürlich sollte ich das gar nicht wissen – es hilft einem, zivilisiert miteinander umzugehen –, doch im Grunde glaube ich, dass er sehr wohl weiß, dass ich es weiß.»
«Und es macht Ihnen nichts aus?» Nightingale hatte Mühe, es wie eine höflich interessierte Frage klingen zu lassen.
«Das habe ich nicht gesagt! Es geht hier darum, sich zu arrangieren. Und verlassen wird er mich deshalb niemals.»
«Warum sind Sie sich da so sicher?»
«Weil er es mit der Angst zu tun bekommt, sobald eine Frau sich ernsthaft für ihn zu interessieren beginnt, und dann kommt er ganz schnell nach Hause gelaufen. Und was seine neueste Eroberung anbelangt, so wird die ihn gar nicht ganz haben wollen! Im Moment spielt sie noch mit ihm. Er bildet sich ein, ich merke nichts, aber der halbe Golf-Club weiß Bescheid. Doch sowie er seinen Zweck erfüllt hat, wird auch dieses Verhältnis beendet sein.» Sie bemühte sich, ihrer Stimme einen gleichgültigen Klang zu verleihen, doch ein leichtes Zittern verriet ihre wahren Gefühle. Nightingale war klar, dass Mrs Kemp für dieses Arrangement, wie sie es nannte, einen hohen Preis bezahlte.
«So wie Sie von dieser Eroberung sprechen, hört sich das Ganze sehr … berechnend an.»
«Es hört sich so an, weil es genau das ist: von ihrer Seite aus auf jeden Fall, von ihm aus sicher nicht. Der Arme macht sich völlig zum Narren.»
«Wer ist sie?»
Mrs Kemp sah Nightingale überrascht an. «Wollen Sie damit sagen, Sie wüssten es nicht? Das ist ja wohl nicht Ihr Ernst!»
«Ich bin neu an dem Fall. Bitte, Sie würden mir eine Menge Arbeit ersparen.»
«Sally Wainwright-Smith natürlich. Ich dachte, das wüssten inzwischen alle.»
Nightingale machte eine kurze Notiz in ihrem Büchlein. Dann fuhr sie fort.
«Sie sagten, Ihr Mann habe seinen Zweck bald erfüllt. Was meinten Sie damit?»
«Habe ich das gesagt? Ich weiß es nicht.»
«Ich bitte Sie, Mrs Kemp, Sie wissen doch, was Sie gesagt haben. Sie haben angedeutet, dass es von ihrer Seite aus pure Berechnung sei. Warum?»
«Ich habe gar nichts gemeint.» Sie log, und das Bemerkenswerte daran war, dass es ihr egal zu sein schien, dass Nightingale es wusste. Obwohl sie eine Frau war, der es wichtig war, den Schein zu wahren, war sie offenbar
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