Nachruf auf eine Rose
wurden?»
Weder Jeremy Kemp noch Sally sagten ein Wort. Sallys Gesicht war nahezu ausdruckslos, doch ihr Blick wich dem Blites aus und wanderte auf den abgetretenen Fußboden des Vernehmungsraums. Sie war offensichtlich darum bemüht, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Kemps Gesichtsfarbe war inzwischen in ein leuchtendes Rot übergegangen. Mit sorgenvollem Blick wandte er sich Sally zu.
«Du musst nichts sagen, Sally, denk daran.»
«Mr Kemp hat Recht, Mrs Wainwright-Smith. Doch denken Sie auch daran, dass die Geschworenen Ihr Schweigen ganz anders auslegen könnten.»
Auf Kemps Worte schüttelte sie den Kopf und blickte Blite trotzig ins Gesicht.
«Das hat nichts zu bedeuten, Inspector. Wer auch immer behauptet, er habe mich mit Graham gesehen, lügt. Und ich weiß nicht, wie seine Fingerabdrücke auf die Kiste gekommen sind, und ich nehme an, Sie wissen es auch nicht.»
Ihren Kommentar ignorierend, sagte Blite:
«Erzählen Sie mir etwas über Donald Glass.»
Der plötzliche Themenwechsel brachte sie sichtlich aus der Fassung; Kemp sah verdattert aus. Eine Weile lang sagte keiner ein Wort, bis Blite das Verhör fortsetzte.
«Wir wollten von ihm wissen, wie Sie damals auf ihn losgegangen sind. Sie haben ein ziemlich heftiges Temperament. Er behauptet, Sie hätten ihn umbringen wollen. Und die Narbe, die er hat, spricht ja für sich.»
«Ich habe nichts mehr zu sagen.»
«Es sieht nicht sehr gut für sie aus, Mrs Wainwright-Smith. Wäre es nicht besser, Sie würden uns alles erzählen, ein für allemal reinen Tisch machen?»
«Sie haben gehört, was meine Mandantin gesagt hat.» Kemp bemühte sich, seiner Stimme einen ruhigen Klang zu geben, doch man brauchte ihn nur anzusehen, um zu erkennen, dass er dabei war, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
«Ich möchte nach Hause.» Ohne eine Antwort abzuwarten, erhob Sally sich, wieder ganz die Dame von Welt, die ihrem Chauffeur Anweisungen erteilt.
«Ich bin noch nicht fertig, Sally.» Die vertrauliche Anrede schmälerte die Wirkung ihres Auftritts. «Bitte setzen Sie sich wieder.»
Nach einem kurzen Zögern kam sie seiner Aufforderung nach. Das Band lief noch immer.
«Ich habe nichts weiter zu sagen», wiederholte sie.
«Das mag sein, aber ich.»
Zunächst versuchte Blite sie aus der Fassung zu bringen, indem er noch einmal auf die Gegenüberstellung zu sprechen kam. Als seine Worte keine Wirkung zeigten, begann er, sie mit einer ganzen Reihe von Fragen zu bombardieren, angefangen bei der Frage, wer von Grahams Tod profitiere, bis hin zu jener, warum sie Shirley und Irene an dem Tag, an dem Graham starb, über ihre Anwesenheit im Haus belogen hatte. Die ganze Zeit über achtete er darauf, einen neutralen Tonfall beizubehalten, damit man ihm hinterher nicht würde vorwerfen können, er habe versucht, die Zeugin einzuschüchtern. Obwohl sie nichts preisgab, wusste er, dass ihr Schweigen auf diese ganze Kette von Beweisen, die sie gegen sie zusammengetragen hatten, vor Gericht eine nicht unbeträchtliche Wirkung zeitigen würde.
Nach drei Stunden ließ Blite sie gehen. Seine Frustration darüber, dass es ihm nicht gelungen war, Sallys abwehrende Haltung zu durchbrechen, war unverkennbar. Er bat sie, sich für die Gegenüberstellung bereitzuhalten, die entweder später am selben Tag oder am darauffolgenden Morgen stattfinden würde. Weiterhin sollte sie sie wissen lassen, wenn sie vorhatte, Wainwright Hall zu verlassen. Kaum schloss sich die Tür hinter Kemp und Sally, wandte er sich Claire und Nightingale zu und stieß aus:
«So eine verdammte Zeitverschwendung! Werden Sie da etwa schlau draus?»
Er glaubte nicht an den Nutzen von Polizeipsychiatern und betrachtete Claire mit kaum verhohlener Verachtung. Sie war Schlimmeres gewöhnt, und als sie antwortete, klang ihre Stimme gleichmütig.
«Nicht sehr. Sie hat ja nicht viel gesagt. Sie ist sehr abweisend und nervös. Hinter ihrer beherrschten Fassade hält sie sehr starke Gefühle zurück, die sie am Anfang kaum in der Lage war zu unterdrücken. Aber dann ist es ihr irgendwie gelungen zuzumachen. Schwer zu sagen, ob sie diesen Abwehrmechanismus längere Zeit aufrechterhalten kann. Sie muss Herrin der Lage sein, das ist offensichtlich, doch wenn sie das nicht ist, dann ist sie verwundbar und wird unberechenbar.
Ich empfehle Ihnen, sie ohne Vorankündigung noch mindestens zweimal zum Verhör aufs Präsidium zu holen. Sagen Sie mir nur, wann. Bis nachmittags habe ich Termine, doch um vier oder
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