Nachruf auf eine Rose
lässt.»
«Glauben Sie, die Beweise reichen aus, um ein Ermittlungsverfahren gegen Wainwright Enterprises zu eröffnen, Sir?»
«Wir haben die Unterlagen erst eine knappe Woche, Chief Inspector. Dennoch wage ich zu behaupten, dass sie uns eine Menge Fragen beantworten müssen. Sieht ganz so aus, als bekäme dieser Fall ganz große Bedeutung.»
Fenwick versuchte sich auf ein Fachbuch über Kriminalpsychologie zu konzentrieren, als sein Mobiltelefon leise summte. Wieder war es Cooper, und Fenwick konnte die Erregung in seiner Stimme hören.
«Nightingale hat Beck, den Privatermittler, ausfindig gemacht. Und ja, er hat uns tatsächlich nicht die ganze Wahrheit gesagt. Sie hat sich nun die komplette Akte geben lassen. Daraus geht klar und deutlich hervor, dass Sally, bevor sie in Harlden auftauchte, in Brighton gelebt hatte. Nightingale ist schon auf dem Weg zu Ihnen. Ich dachte, Sie würden die Unterlagen gerne persönlich einsehen.»
Mit knirschenden Schritten ging Nightingale über den Kies auf die Haustür zu. Noch bevor sie klingeln konnte, öffnete Fenwick die Tür. Er hatte schon auf sie gewartet, und sie spürte seine Ungeduld, noch bevor er etwas sagte. Was sie herausgefunden hatte, war das letzte noch fehlende Glied in der Kette, die Sally mit dem Mord an Amanda Bennett verband.
«Kommen Sie herein und wärmen Sie sich auf. Ich habe gerade Kaffee gekocht. Möchten Sie eine Tasse?»
Sie betrat das Wohnzimmer. Hinter dem Kamingitter glommen ein paar Scheite. Nightingale bemühte sich, ihre offene Neugierde zu zügeln, und blickte sich verstohlen im Zimmer um. Fenwick kehrte mit einem Tablett und dem Kaffeegedeck zurück. Er bat sie zuzugreifen, während er in einem Walnussschrank kramte und schließlich eine Flasche Whisky und Gläser zum Vorschein brachte.
«Es ist kalt heute Nacht. Möchten Sie ein Gläschen? Ich weiß, Sie müssen fahren, aber einen kleinen Schluck können Sie trotzdem trinken.»
Sie hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen, doch der Gedanke an einen Drink mit Fenwick war zu verlockend.
«Danke, Sir.» Sie setzte sich auf das Sofa gegenüber dem Kamin und zog einen dicken Aktenordner aus ihrer Tasche. «Sie hatten Recht, Sir. Dieser Privatdetektiv hat uns nicht alles gesagt. Ich habe ihn heute abgepasst, als er in Gatwick landete. Werfen Sie einmal einen Blick darauf.»
Fenwick nahm neben ihr auf der Couch Platz, so dass sie die Unterlagen gemeinsam durchsehen konnten.
«Was ist das?»
«Das ist die Akte, die er über Sallys Vergangenheit angelegt hat, Sir. Im Ganzen hundertfünfzehn Seiten. Das sind Kopien, die Originale wurden bereits in Verwahrung genommen. Sieht ganz so aus, als habe Mrs Wainwright-Smith eine bewegte Vergangenheit gehabt. Seine Aufzeichnungen beginnen erst mit ihrem siebzehnten Lebensjahr – über ihre Kindheit hatte er nichts herausbekommen. Doch abgesehen davon ist sein Bericht recht detailliert. Und er hat Graham davon unterrichtet.
Er hatte zwei Ermittler auf sie angesetzt – sechs Wochen lang. Graham Wainwright hat ihm so viel Geld zur Verfügung gestellt, wie er brauchte, also konnte er es sich leisten, tief genug zu graben. Das hier ist die Polizeiakte über Sally.» Sie reichte Fenwick einen prall gefüllten Schnellhefter, den er sofort als echt identifizierte. «Mit siebzehn wurde sie wegen Prostitution verhaftet, zwei Jahre später wegen Körperverletzung in einer Schlägerei im Zentrum von Brighton.»
«Brighton!», entfuhr es Fenwick.
«So ist es. Beide Male entging sie einer Freiheitsstrafe. Beim zweiten Mal ist sie vom Gericht zu einhundert Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden. Sie hat die Zeit in einem Altersheim abgeleistet, hat dort gegärtnert, geputzt und beim Renovieren geholfen. Als ihre Zeit dort schon fast um war, hatte man genug Vertrauen, um sie auch zum Einkaufen zu schicken und als zusätzliche Pflegerin bei Ausflügen mitgehen zu lassen. Beck hat die Leiterin des Heims aufgespürt, die voll des Lobes über Sally war. Sie habe sich positiv verändert, sagte sie von ihr. Nur, dass dies nicht zutraf. Im Jahr darauf berief sie sich auf ihre Erfahrung und verschaffte sich eine Anstellung in einem anderen Altersheim, diesmal jedoch in einer Umgebung, in der bedeutend mehr zu holen war. Im Laufe der folgenden Monate starben zwei Heimbewohner, beides alte Herren, die Sally in ihrem Testament bedachten. Das erste Mal waren es fünfhundert Pfund, beim nächsten waren es bereits tausendfünfhundert und ein
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