NachSchlag
Performance selbst verstand er nur … zur Hälfte, wenn überhaupt so viel, doch er hatte auch bewusst den Programmtext nicht gelesen, konzentrierte sich ganz auf Klang und Anblick, auf das Fabelhaft-Lyrische, das sich da auf der Bühne abspielte und dessen Urheberin Lea war. Sie war wundervoll, magisch, absolut verwandelt.
Sie führte eine wilde Mischung aus Tanz und Musik-Lichtshow auf, mit ernst glühenden Blicken und auch einem Text … den sie aber so aussprach/sang/rief, dass der Zusammenhang kaum zu verstehen war. Was Armand dabei am meisten erstaunte, war ihre Stimme. Sie hatte sich auf beinahe überwältigende Weise verändert, war zärtlich, sanft, durchdringend, klangvoll, melodiös geworden in ihrem Performance-Auftritt, umfangen vom Zauber des Vortrags, der phantastischen Situation, ohne Zweifel … er sollte damit recht behalten, denn danach war ihre Stimme wiederum eher flach, gleichmäßig, versteckt, beinah ausdrucksarm.
Er ertappte sich bei der Vorstellung, Lea zunächst unter seinen Schlägen und Folterungen, endlich unter seinem Körper mit dieser melodischen Stimme schreien und klagen zu hören, und dieser Gedanke gefiel ihm außerordentlich. Er kam ihm gegen Ende der Vorstellung. Er lächelte. Und erst in ihrer Abschlussverbeugung am Rande der Bühne sah Lea ihn, und zwar gerade in dem Moment, da sie sich wieder aufrichtete. Für Sekundenbruchteile erstarrte sie. Erhob sich dann ganz straff und gerade, strahlte mechanisch ins Publikum und entschwand hastig.
Für den Polizeibeamten Armand war es ein Leichtes, sich Zugang zur Künstlergarderobe zu verschaffen. Und da fing er Lea ab, bevor sie sich aus dem Staub machen konnte. Sie war halb abgeschminkt und sah absonderlich aus, als er ihren Raum betrat und sich ihre Augen im Garderobenspiegel, vor dem sie auf einem mit Plüsch bezogenen Hocker saß, trafen.
Welches war ihr wahres Ich?
Die Maske der Unscheinbarkeit bedeckte wieder eine Hälfte ihres Gesichts … die andere, verblüffend echt wirkend, war noch immer mit der zäh haftenden dicken Farbe in verschlungenen rätselhaften kryptischen Linien versehen …
Keiner von beiden sprach zunächst ein Wort.
Überflüssiges musste nicht ausgesprochen werden, sie lasen gegenseitige Bewunderung in ihren Augen, sie in seinen brombeerdunklen, er in ihren türkisblauen …
Ihre Hand zitterte nicht, als sie mit dem Abschminken fortfuhr, und Armand musste lächeln.
Er holte gemächlich seine Handschellen hervor, klickte mit ihnen, ließ sie beiläufig herabbaumeln. Da immerhin hatte er das Vergnügen, sie unruhig auf ihrem gepolsterten Hocker rutschen zu sehen. Hin und her. Mit ihrem süßen Arsch, den er, taxierend, schon von Anfang an für eins ihrer besten Attribute gehalten hatte. Nun, auch ihre Titten waren was Feines … aber … Entschlossen schob Armand diese Gedanken beiseite und konzentrierte sich wieder auf Leas Psyche.
Sie ist gut
, dachte er, abermals erstaunt, und seine Achtung wuchs, als sie sich umdrehte und ihn voll anschaute und mit ihrer herrlichen, kraftvollen Performancestimme sagte: »Herr, ich möchte dir gern etwas zeigen, wenn du mich nach Hause gebracht hast.«
»Da bin ich gespannt, Lea«, sagte er, nachdem ein Moment der Verblüffung verstrichen war.
Jemand klopfte von außen an die Tür.
»Hey, Leaschatz, alles klar bei dir?«, rief eine schwul klingende Männerstimme. »Was will’n die Staatsgewalt von dir?«
»Nichts weiter, Stefan«, rief Lea zurück. »Es ist nichts.«
Armand lachte leise.
»Werden deine Künstlerfreunde dir das auch noch abkaufen, wenn ich dich gefesselt abführe, hm?«
Er trat nah an sie heran, sah auf sie herunter, lächelte. Ihre Augen wichen nunmehr scheu seinem Blick aus, senkten sich, was ihm ausgesprochenes Vergnügen bereitete.
»Oder soll ich dir diese Demütigung ersparen, ja?«
Jäh warf sie da den Kopf hoch, ihr Gesicht belebte sich, entflammte geradezu, und sie stieß ein fast zorniges »Nein« hervor, hielt ihm die Hände hin, Gelenke gekreuzt.
Es gefiel ihm sehr, doch er schnalzte nur mit der Zunge. »Wenn schon, denn schon, Lea. Du sollst die ganze Härte des Gesetzes spüren.« Und in bester Polizeimanier: »Auf die Knie, Hände auf den Rücken, na los!«
Lea gehorchte ohne Widerspruch, und er packte ihre Hände und zog sie hoch, so dass sie sich krümmte und es sie schmerzen musste, und er legte ihr die Fesseln an. Am Haar zerrte er sie wieder in die Höhe, und sie ächzte fast unhörbar.
»So ist es am besten«,
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