NachSchlag
nicht hier.« Er ging zu einer bestimmten Wand, schob den Strafbock zur Seite, aktivierte den Lastenaufzug und registrierte zufrieden, dass er noch funktionierte.
Mit einem rostigen Rattern erschien der uralte Lift, quietschend öffnete sich die niedrige Automatiktür und gab den Blick frei in die schwarze sargähnliche Kabine.
Das Schaudern erfasste nun Leas gesamten Körper.
Damals, während ihrer Spiele, hatte Armand auch hin und wieder zu dieser Maßnahme gegriffen – immer dann, wenn er der Meinung war, dass sie besonders hart bestraft werden musste.
Damals war es Spiel gewesen …
»Ist denn dort unten auch noch alles so wie früher?«, erkundigte sich der Beamte.
Lea nickte schwach.
Als Armand sie vom Andreaskreuz losband, wäre sie um ein Haar ohnmächtig zu Boden gesunken. Mit aller Kraft riss sie sich zusammen und schaffte es, aufrecht stehen zu bleiben und klaren Sinnes. Sie atmete auf, weil sie die Fesseln los war und ließ sich ohne Widerstand von Armand zur Aufzugkabine hinschieben.
Sie hatte keine Ahnung, wie sie noch weitere Torturen überstehen sollte, aber erst einmal genoss sie es, ihre Gelenke verstohlen bewegen zu können und den Druck der Seile nicht mehr spüren zu müssen.
»Du legst dich auf die Seite!«, kommandierte Armand mit schneidender Stimme, »die Hände auf den Rücken gekreuzt und die Beine angewinkelt.«
Lea stöhnte laut … ihr Stöhnen ging in ein gequältes Wimmern über. Sie wusste, was diese Anweisung zur Folge haben würde, und Armand interpretierte ihre Laute auch ganz korrekt.
»Ja, richtig. Du hast doch nicht geglaubt, ich ließe dich ungefesselt nach unten fahren?« Seine Stimme durchschnitt immer noch scharf die Atmosphäre. Wie ein geschliffenes Brotmesser vielleicht. Oder wie … oh nein! Wie die rauen Kokosschnüre, die er jetzt hervorzog.
Gehorsam auf der Seite im Lastenaufzug liegend, sah Lea die Seile und wimmerte noch durchdringender.
»Still. Hände und Füße her, los.«
Er achtete darauf, dass die groben braunen Naturstricke genau dort einschnitten, wo Lea schon Fesselstriemen hatte. Und er band ihre Handgelenke mit den Fußgelenken zusammen, so dass sie als grausam verschnürtes Paket dort lag.
Es tat gemein weh.
Armand drückte den Knopf, und die alten, aber noch zuverlässigen Fahrstuhltüren schlossen sich.
Lea lag in absoluter Finsternis da. Nur sehr, sehr langsam wandelte sich die Qual in Lust.
Mit einem sonoren Brummen sank der Lift abwärts, und Lea fühlte sich aufgesogen von diesem Geräusch und von den bittersüßen Schmerzen, die sie durchzuckten, sie verlor die Orientierung, ihr war schwindelig, aber es war nicht unangenehm, und obwohl sie nicht in Embryonalhaltung dalag sondern eher in umgekehrter, also pervertierter Fötusstellung, reiste ihr Geist auf einmal blitzartig weit in die Vergangenheit.
Und es wunderte sie nicht, dass auch ihre Mutter in ihrem Wachtraum auftauchte und agierte, ganz so, als wolle sie ihr beistehen. Auf eine von Schatten durchwobene Weise, selbstverständlich. Wie es immer ihre Art gewesen war.
Leas Mutter hatte zunächst ein höchst ehrgeiziges Studium begonnen und war dann an der Pädagogischen Hochschule als Grund- und Hauptschullehrerin gerade mal mit Ach und Krach durchgekommen. Grund dafür war ein Mann, der, wie sie ihrer kleinen Tochter später immer wieder seufzend schuldbewusst erzählte, ihr »den Kopf verdreht« hatte.
Sie befand sich im Referendariat, als sie schwanger wurde.
Der Mann verließ sie und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Leas Mutter, selbst ein Opfer schwarzer Pädagogik, wandte traditionelle Maßnahmen an, als ihr Töchterchen auf die Welt kam, und zwar schon bei Baby Lea. Die überschlanke und kühle Frau, die bereits damals regelmäßig Schlaftabletten brauchte, ließ Lea tage- und nächtelang in vollgemachten Windeln liegen, ließ sie schreien und band den achtwöchigen Säugling mit Gurten im Bett fest. Freunde hatten ihr dringend geraten, ihre Ausbildung, also die Zeit als Referendarin, durchzuhalten, koste es was es wolle.
Es kostete Leas Urvertrauen und traumatisierte sie, aber das kümmerte niemanden, lange Zeit, nicht einmal sie selbst. Ihre Mutter Marit war zu unreif, um irgendjemanden in dieser Notlage um Hilfe zu bitten. Als alleinerziehende Mutter. Von falschem, kindischem Stolz war sie besessen und zerfressen. Sie war ja von ihren eigenen Eltern damals auch fixiert worden, nicht wahr, es war ganz normal, dass man das mit Kindern machte, und so ließ sie
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