NachSchlag
Wangen und war verwirrt …
Angst, ja: Angst hatte sie auch, klamme Furcht und sie ahnte auch schon, was kommen mochte.
»Komm mit! – Nein, genau so, das ist richtig. Mit blankem Hintern, das ist GENAU richtig!«, zischte Tante Irmgard.
Dass sie ein Wort wie »Nutte« kannte, ein Wort, das so doch nicht in der Bibel stand … Dieses letzte Wort hakte sich fest, die anderen versanken im Nebel. Lea bebte.
Im peinlich aufgeräumten Wohnzimmer, zwischen Klavier und wuchtigem Eichentisch, musste sie sich bäuchlings über einen Schemel legen, und sie tat es wortlos, still, nur ihr Atem ging immer heftiger.
Irmgards harte Handfläche sauste herunter und klatschte auf ihren Po. Rhythmisch, immer wieder, zehn- oder zwölfmal. Lea zappelte kaum und gab keinen Ton von sich … erst als die Tante sie am Haar packte und ihren Kopf hochzog, schrie sie leise auf.
»Was sehe ich da in deinen Augen, du sündiges schlechtes Ding, du? Hast du Angst?«
Lea nickte heftig.
»Was noch? Reue ist das nicht! Ich warne dich! Was ist es außerdem, was ich da in deinem Blick s…« Tante Irmgard brach ab, das letzte Wort verklang in einem langgezogenen S-Laut.
»Na warte!« Das kam wie ein Peitschenhieb.
Und als nächstes zog Irmgard den schlanken Rohrstock aus dem Blumentopf des Gummibaums, der am Klavier stand, drehte ihn so, dass das saubere Ende über Leas leicht gerötetem Hintern schwebte, und dann bekam das Mädchen die erste wirklich intensive Züchtigung ihres Lebens. Mit dem Stock.
Weil sie dabei zu sehr schrie, stopfte die Tante ihr ein Küchenhandtuch zwischen die Zähne.
STARK. Sehr stark fiel die Erinnerung an dieses Erlebnis über die im Fahrstuhl abwärts fahrende Lea her, und sie erkannte jetzt glasklar, was ihre Großtante damals in ihren Augen gesehen hatte: die dunkle Schmerzlust, die sich im kalt graublauen Blick der Zuchtmeisterin als Sadismus widergespiegelt hatte … genau DAS hatte das Blaugrau der gealterten Augen erwärmt, ja erhitzt und somit verjüngt. Warm wie das Meer an einem Sonnentag waren sie geworden. Lea entsann sich jetzt, dass Irmgard danach sehr freundlich gewesen, ihren geschundenen Hintern gestreichelt und ihr sogar den Arm um die Schultern gelegt hatte. »Komm, wasch dir das Gesicht, du bist ja ganz verweint …« Sogar ihre Stimme hatte anders geklungen, gar nicht mehr distanziert und nicht von diesem eisigen Glaubensfanatismus erfüllt. Sondern fast liebevoll.
Oh, schon damals hatte Lea auf eine schattenhafte Art begriffen, dass Tante Irmgard ihr nur auf diese Weise Zuwendung zeigen konnte … aber akzeptieren konnten sie das alle beide nicht.
Direkt nach der Züchtigung hatte Lea sich gut gefühlt, stolz, erfüllt, ohne dass sie dies genauer hätte beschreiben können, doch dann kamen die moralischen Einwendungen wie Würmer zurückgekrochen, gepaart waren sie mit Angst, mit Scham, mit dem schrecklichen Empfinden, ganz und gar verrückt zu sein … und gleichzeitig war in ihr das Verlangen, noch wildere und bunte Performance-Stücke zu schreiben, zu kreieren, aufzuführen vor vielen Menschen, um auch sie zu befreien …
Immer noch halbnackt und oben herum mit dem »unmöglichen«, dem sittenlosen Outfit mehr ent- als bekleidet, floh Lea verwirrt auf ihr Zimmer.
Wollte am liebsten mit Tante Irmgard darüber reden, sich mit ihr auseinandersetzen, sie befragen, sie umarmen, ihr danken, sie beschimpfen …
Ihre Rötungen und leichten Striemen am Po verheilten schnell, schließlich war Leas Haut zuvor gut aufgewärmt worden.
Vage hatte Lea vermutet, die Tante müsse Erfahrung im Schlagen gesammelt haben, aber wie denn? Mit wem? … sie war doch kinderlos … hatte nie eine Partnerschaft gehabt, und … wirr und diffus zogen durch Leas fragenden, tastenden Sinn Filmausschnitte von Flagellationen im Mittelalter, christlich geprägt, von Geißelungen und Bußgürteln, und …
Tage später nahm das Mädchen allen Mut zusammen, aber was sie dann mit trockenem Mund hervorbrachte, war ein sonderbares Gestammel und war nicht das, was sie MEINTE.
Und trotzdem verstand Irmgard genau, was sie sagen wollte.
»Tante … meinst du nicht auch, d-dass Jesus …?«
Schon zogen sich die Brauen ihrer Großtante gewitterfinster zusammen. Irgendetwas am Heiland infrage stellen?
»… Jesus mit einer Frau …? Also ich glaube, er hat Sex gehabt«, schaffte es Lea, von ihrer eigenen Kühnheit wie betrunken mitgerissen, ihren Satz zu vollenden und noch hinzuzufügen: »Und wieso auch nicht, er
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