Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
NachSchlag

NachSchlag

Titel: NachSchlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Ippensen
Vom Netzwerk:
jedes Detail eingeprägt, das mir so aufgefallen war während unserer flüchtigen Begegnung in deinem Treppenhaus, Lea. So war mir klar, dass er ein ausgesprochen paranoider Knabe gewesen war. Würde mir das weiterhelfen? – Ich sah mich gründlich um, kann ich dir sagen. Fand heraus, dass Herr Rizzi trotz seiner unstrittigen, fortgeschrittenen Alkoholsucht doch auch Tierfreund gewesen war und Veganer. Tiere liebte er über alles. es gab zahlreiche Beweise dafür in seiner Wohnung, wenn auch keine lebendigen Tiere mehr, denn die, welche er hatte, waren nach seinem Ableben im Tierheim gelandet … Aber all die süßen Poster an den Wänden, die Fototapeten, die Bilder hier und Bücher dort sprachen eine deutliche Sprache. Tiere, Tiere, Tiere. Ich ging in den Flur, ließ meine Blicke sorgfältig schweifen. Und plötzlich stutzte ich.«
    Armand machte eine Pause, und mit dem Daumen strich er leicht über das dämonische graue Kästchen, woraufhin Lea heftig zusammenzuckte.
    »Schön … dass ich noch immer deine Aufmerksamkeit besitze.«
    Lea hätte ihn beinahe höhnisch gefragt, wie er daran denn wohl zweifeln könne.
    Unglaublich!
, dachte Armand,
da ist doch wieder ein rebellisches Funkeln in ihren Augen! Das fasse ich nicht!
    In jähem Zorn hätte er sie beinahe geohrfeigt. Er beherrschte sich, zählte im Geiste bis sieben und konzentrierte sich wieder auf seine Erzählung.
    »Ja, die zarten Seiten eines Alkoholikers. Seine fanatische Liebe zum Tier. Und da sollte er ausgerechnet einen ausgestopften Wildschweinkopf über der Tür zur Küche gehabt haben? Das war mehr als bizarr. Nur Jäger oder ähnliche Antipoden seiner selbst kämen doch auf solch eine Idee. Welche Funktion hatte das Ding also? Der Kopf starrte mit seinen Glasaugen genau auf die Wohnungstür. Und plötzlich kam mir ein grotesker Verdacht, der in einer Frage mündete: Was gehörte zur Grundausstattung eines jeden Paranoikers?«
    Er starrte Lea durchbohrend an, und sie stieß hervor: »Eine Kamera? In dem
Wildschweinkopf
war eine Überwachungskamera versteckt?«
    Armand nickte. Jetzt wusste sie, was sich auf der DVD befand.
    »Ich vergewisserte mich, dass am fraglichen Tage die Kamera gelaufen war und die Aufnahmen gespeichert, und dann hatte ich es farbig-plastisch: was an jenem Abend geschehen war. Den Rest konnte ich problemlos rekonstruieren. Also, vermutlich ging deine Mutter am Abend wirklich in die Küche, aber nur, um dort zusammenzubrechen, hackedicht und kurz vorm Pillenkoma. Es gab einen leichten Bums. Und kurz darauf, gerade als du nach ihr schautest, hörtest du den nächsten, stärkeren Bums nebenan. Du hattest ja einen Schlüssel und gingst erst einmal rüber – um zu entdecken, dass Herr Rizzi auf höchst pittoreske Weise verschieden war. Es ist schon ein ziemlich drolliger Unfall, in sein eigenes Brotmesser zu fallen, nicht wahr …? Vor allem auch für einen pazifistischen Tierliebhaber. Aber er war natürlich auch total blau gewesen. Jedenfalls war es ideal für dich … andernfalls hättest du deinen Plan nie umsetzen können, es wären zu viele Ungereimtheiten und Schwierigkeiten gewesen oder auch: weißt du, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du einem Toten oder gar einem Bewusstlosen ein Messer in die Brust rammst, nur um das dann deiner Mutter anzuhängen. Nein, bei all der in Eis verpackten Wut in dir, dazu wärst du nicht fähig gewesen, Lea. Aber ihr einen Unfall anzuhängen, für den dann folgerichtig Totschlag im Affekt angenommen wird – den sie auch noch unerwarteterweise gesteht – genial, schlichtweg genial. Du hattest alles präpariert. Die schwarzen Lackhandschuhe angezogen, die ich dir mal geschenkt hatte, und das Leichtgewicht von Mutter rasch rübergetragen … das Brotmesser aus Herrn Rizzis Brust gezogen und deiner – nach wie vor besinnungslosen – Mutter in die Hand gedrückt. Du hast sogar daran gedacht, dein eigenes Brotmesser in Herrn Rizzis Küchenschublade zu legen. Sauber.«
    Durch die sehr lang währende, intensive Behandlung, die Armand ihr hatte angedeihen lassen, war Lea längst in einen anderen Bewusstseinszustand eingetaucht, befand sich beinahe schon jenseits der Mauer, die alten Grenzen existierten nicht mehr.
    Gleich! Gleich würde es passieren …
    Sie starrte nur noch ihn an, Lea blickte in Armands Augen, nicht mehr auf das Teufelskästchen in seiner Hand.
    Seine Gedanken und Gefühle irrten ab …
    Armand war süchtig nach Leas Perlentaucher- und Silberharfenstimme, wie er

Weitere Kostenlose Bücher