Nachschrift zum Namen der Rose
den
Registerwechsel vom Rezitativ zur Arie immer bewältigt habe.
Ein weiteres Problem war das verschachtelte Ineinander der
Erzählerinstanzen, die Verpuppung dessen,
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der spricht. Ich wußte zwar, daß ich eine Geschichte mit den
Worten eines anderen erzählte, und ich hatte ja auch im Vorwort
darauf verwiesen, daß die Worte dieses anderen durch mindes-
tens noch zwei weitere Instanzen gefiltert waren, nämlich durch
Mabillon und Vallet, wenn man auch annehmen konnte, daß
diese beiden den Text nur philologisch bearbeitet hatten, ohne
ihn zu manipulieren (doch wer glaubte das schon?). Indessen
stellte sich das Problem von neuem innerhalb der Erzählung, die
Adson in der ersten Person vorträgt. Adson erzählt als achtzig-
jähriger Greis, "was er als achtzehnjähriger Jüngling erlebt hat.
Wer also spricht nun, Adson der Jüngling oder Adson der Greis?
Beide natürlich, und das war gewollt. Das Spiel bestand darin,
immer wieder den greisen Adson einzubringen, der über das, was
er als Jüngling erlebt und empfunden hat, räsoniert. Das Vorbild
dafür war (ohne daß ich den Roman noch einmal gelesen hätte,
mir genügten vage Erinnerungen) der Serenus Zeitblom im
Doktor Faustus. Dieses Wechselspiel mit zwei Erzählerstimmen hat mich sehr fasziniert und gepackt. Auch weil ich, um noch
einmal auf die Frage der Maske zurückzukommen, durch diese
Verdoppelung Adsons die Reihe der schützenden Trennwände
zwischen mir als realer Person, als erzählendem Autor, erzählen-
dem Ich, und den erzählten Romanpersonen samt dem fiktiven
Erzähler-Ich noch einmal verdoppeln konnte. Ich fühlte mich
immer geborgener, und die ganze Situation erinnerte mich (ich
möchte fast sagen sinnlich, mit der Evidenz eines Geschmacks
von in
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Lindenblütentee aufgeweichten Madeleines) an gewisse kindli-
che Spiele unter der Bettdecke, wenn ich mir vorkam wie in
einem Unterseeboot, aus dem ich Botschaften an meine
Schwester sandte, sie unter der Decke in einem anderen
Kinderbett, wir beide isoliert von der Außenwelt und voll-
kommen frei, uns Fahrten ins Weite auszudenken, lange
Erkundungsreisen auf den Grund schweigender Meere.
Adson war mir sehr wichtig. Von Anfang an wollte ich die
gesamte Geschichte (samt ihren mysteriösen Vorfällen, ihren
politischen und theologischen Ereignissen, ihren Ambiguitäten)
mit der Stimme eines Chronisten erzählen, der durch das
Geschehen wandert und alles mit der fotografischen Treue eines
Heranwachsenden registriert, aber nichts begreift (und auch als
Greis noch nicht voll begriffen hat, so daß er am Ende eine
Flucht ins göttliche Nichts antritt, die nicht das ist, was ihn sein Meister gelehrt hatte). Alles begreiflich machen durch einen,
der nichts begreift.
Beim Lesen der Rezensionen merke ich nun, daß dies ein
Aspekt des Romans ist, der die »gebildeten« Leser wenig beein-
druckt hat, jedenfalls hat ihn kaum einer hervorgehoben. Aber
ich frage mich heute, ob es nicht eines der Elemente ist, die zur
Lesbarkeit des Romans für »naive« Leser geführt haben. Sie
können sich mit der Unschuld des Erzählers identifizieren und
sich gerechtfertigt fühlen, auch wenn sie nicht alles verstanden
haben. Sie dürfen zugleich ihre Ängste wieder ausleben, ihr
Zittern vor der Sexualität, vor den fremden Sprachen, den
Schwierigkeiten des Denkens, den Ge-
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heimnissen des politischen Lebens... Diese Dinge begreife ich
heute, im nachhinein, aber vielleicht übertrug ich damals auf
Adson vieles von meinen eigenen pubertären Ängsten, mit
Sicherheit in seinen Liebeskrämpfen (aber stets auch mit der
Gewähr, durch Mittelspersonen handeln zu können: faktisch
empfindet und äußert Adson sein Liebesleid nur durch die
Worte, mit denen die Kirchenväter von Liebe sprachen). Kunst
ist Flucht aus der persönlichen Emotion, das hatten mich sowohl
Joyce wie Eliot gelehrt.
Der Kampf gegen die Emotion war manchmal sehr hart. Ich
hatte ein schönes Gebet geschrieben, modelliert nach dem Lob
der Natur von Alain de Lilie, um es William in einem Augen-
blick starker Gefühlsregung in den Mund zu legen. Aber dann
wurde mir klar, daß wir uns beide sehr erregt hätten, ich als
Autor und er als Romanperson. Ich als Autor durfte es nicht, aus
poetologischen Gründen. Er als Romanperson konnte es nicht,
da er aus anderem Holz geschnitzt war und seine Emotionen
entweder ganz »im Kopf« auslebte oder verdrängte. So habe ich
jene Seite gestrichen. Nach
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